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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Wie sehr sie sich in diesen Tagen verändert hatte, dachte Louise. Das Gesicht nach wie vor gepflegt, geschminkt, das Haar frisiert, die Kleidung ordentlich, aber ihr ganzer Körper
strahlte Erschöpfung, Angst und Hilflosigkeit aus. Ihre Bewegungen waren hektisch, ihre Stimme höher als sonst, sie sprach rastlos.
    »Sie gehen
nicht
allein«, wiederholte Louise.
    »Mama, bitte«, sagte Carola.
    Henriette Niemann seufzte, breitete schicksalsergeben die Hände aus, nickte. »Sie brauchen eine Kanne Kaffee für heute Nacht, richtig?«
    Louise nickte. »Aber bitte mit Zucker diesmal.«
     
    Dann begann das Warten, Warten, Warten. Die Türen waren zugesperrt, Fensterläden und Fenster geschlossen. Louise hatte vor dem Essen jeden einzelnen Riegel, jedes einzelne Schloss überprüft. Draußen auf der Straße zwei Kripokollegen im Wagen, zwei weitere irgendwo in der Finsternis zwischen den Häusern, und nach wie vor fuhren immer wieder Streifen durch Au. Nach menschlichem Ermessen war es für Lončar fast unmöglich, ins Haus zu gelangen.
    Ganz abgesehen davon, dass landesweit nach ihm und dem weißen Golf gesucht wurde.
    Paul Niemann hatte sich entschuldigt und war zu Bett gegangen. Philip saß in seinem Zimmer und tat – was auch immer. Requiems hören in der Dunkelheit, auf ein Buch starren ohne Licht, vielleicht auch nichts von alledem. Sie nahm sich vor, morgen mit ihm zu reden, heute waren Henriette Niemann und Carola dran.
    Die Frau, die Tochter.
    Sie saß mit Carola im Wohnzimmer auf einer seltsam unbequemen Couch, während Henriette Niemann die Küchenarbeit beendete. Konzentration war unmöglich, sie lauschte mit einem Ohr auf die Geräusche des Hauses, das Knarzen der Treppe, das Klappern eines Fensterladens, wie
es sich anhörte, wenn die einzelnen Türen geöffnet oder geschlossen wurden, wie Schritte in der Diele, im Obergeschoss klangen.
    Der Regen, der Wind.
    »Er tut mir so leid«, sagte Carola. »Papa.«
    »Er wird schon zurechtkommen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Er ist erwachsen, Carola.«
    »Ich weiß nicht. Sie benehmen sich beide so blöd. Überhaupt nicht erwachsen.«
    Louise rutschte hin und her, die Couchlehne ging auf den Rücken, irgendwas tat da schon weh. »Es geht ihnen nicht gut. Erwarte nicht von ihnen, dass sie mit allem souverän umgehen, nur weil sie erwachsen sind. Sie werden zurechtkommen, aber sie sind eben nicht perfekt.«
    Carola nickte.
    »Das ist eine Scheißcouch«, sagte Louise und rutschte auf den Boden.
    Carola glitt neben sie. »Ich hätte mich mehr um ihn kümmern müssen. Ich hab seit Monaten nicht mehr richtig mit ihm gesprochen. Ich hab ihn kaum noch gesehen. Er war so
deprimierend

    »Es ist verdammt nochmal nicht deine Aufgabe, dich um deinen Vater zu kümmern.«
    »Ich weiß nicht. Irgendwie schon. Wenn ich doch sehe, dass es ihm nicht gut geht, seit wir von München weg sind.«
    »Dann red mit ihm, aber fang nicht an, dich für ihn verantwortlich zu fühlen. Er ist nicht
krank

    »Vielleicht schon. Ich meine, auch eine Depression ist eine Krankheit, oder?«
    Louise seufzte, beschloss, morgen endlich Hartmut Prader
zu holen, mochte Henriette Niemann sich auch noch so sehr dagegen sträuben. Der Verlust des Hauses, die Angst vor Lončar, die Lage der Familie, da brauchte man ganz einfach jemanden, der Profi war in Krisen- und Konfliktbewältigung. »Na, komm«, sagte sie, legte den Arm um Carolas Schultern, zog sie zu sich, und Carola schmiegte sich an sie.
    So, dachte Louise zufrieden, war das Warten eigentlich ganz angenehm.
     
    »Erzählen Sie mir von ihm.«
    »Von wem?«
    »Dem Mann, der unser Haus angezündet hat.«
    »Was willst du wissen?«
    »Alles, was Sie herausgefunden haben.«
    »Von Biljana und Snježana hab ich dir schon erzählt.«
    »Die Frau und die Tochter.«
    Louise nickte.
    »Ja. Trotzdem. Ich möchte alles wissen.«
    Also erzählte sie, unterbrach immer wieder, um Carolas Fragen zu beantworten, auf Geräusche zu achten. Erzählte die Geschichte von Heinrich Schwarzer alias Antun Lončar, während sie auf ihn wartete.
     
    Später kroch Carola auf die Couch und schlief ein. Henriette Niemann kam, um Gute Nacht zu sagen, mehr ging offenbar nicht, sie hatte Louise noch immer nicht verziehen, dass sie vor dem Brand nicht von den Ahnungen gesprochen hatte. »Frühstück um halb acht«, sagte sie und schloss die Tür.
    Louise stand auf, folgte ihr in die Diele. »Henriette.«
    Sie gingen in die Küche, setzten sich an den Tisch.
    Dort versuchte sie

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