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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Lončar und sie.
    »Nur rein faktisch«, sagte Mats Benedikt.
    Sie senkte die Hand. »Aber nicht emotional?«
    »Richtig.«
    »Wenn man es zulässt, schon. Wenn man sich davon berühren lässt.«
    »Ich habe dir gesagt, dass ich keine Gefühle habe.« Er grinste.
    »Nur kleine, unförmige Dinger in deinem Herzen.«
    »Ja.«
    Sie lachten.
    Mats Benedikt stieg ein, verstellte Sitz, Rückspiegel, Außenspiegel, sagte dabei: »Fahr zu Anne, Louise. Oder komm mit mir.« Er sah sie an. »Es ist gefährlich. Falls Lončar kommt. Falls er es ins Haus schafft.«
    Sie nickte, dachte: Hin und wieder gehörte die Gefahr nun mal dazu, wenn man das tat, was sie taten.
    Sie sagte es nicht. Nur während der Bürozeiten, hätte Mats Benedikt erwidert.
    Sie trat zurück, er schloss die Tür, ließ das Fenster herunter.
    »Wenn sie nur weggehen würden«, sagte sie.
    »Bob hat es vorhin versucht. Rolf war hier. Sie gehen nicht.«
    Sie nickte.
    »Versuch, sie zu überreden.«
    »Beim Abendessen.«
    Mats Benedikt streckte die Linke aus dem Fenster, sie ergriff sie mit der Rechten.
    »Vergiss nicht, die Bürotür zu schließen, Mats.«
    »Ist schon zu.«
    Sie sah ihm nach, winkte ihm, als würde er fortfahren und nicht zurückkommen, nicht so bald jedenfalls.
    Als wäre dies ein Abschied.
     
    Carola empfing sie, führte sie in das Zimmer der Schwägerin, wie das Gästezimmer ein kleiner, düsterer Raum. Immerhin sah das große Bett weich und gemütlich aus, ein Bett zum Fallenlassen, wenn man Lust hatte, sich fallen zu lassen. Zum Frühstücken, zum Kranksein, zum Alleinsein.
Sie war kurz in ihrer Wohnung gewesen, hatte Kleidung und Badutensilien in eine Reisetasche gestopft, obendrauf die Unterlagen zu den Donauschwaben, die würde sie in diesem weichen, gemütlichen Bett weiterlesen, von dem aus man die Welt hätte regieren können, das Kopfkissen im Rücken.
    Und hier die Toilette, hier das Bad, ich hab Handtücher für Sie rausgelegt ...
    Dann standen sie in der Diele, und Louise fragte: »Wie ist die Stimmung?«
    »Scheiße.« Carola schob die Hände in die hinteren Hosentaschen, blickte sie trotzig-traurig an. »Sie reden nicht mehr miteinander.«
    »Hm.«
    »Ich meine, sie sind doch erwachsen. Sie können nicht einfach aufhören, miteinander zu reden. Sie müssen doch Rücksicht auf uns nehmen. Sie sind unsere
Eltern

    »Ich spreche mal mit ihnen, wenn du möchtest.«
    Carola zuckte die Achseln. »Und der Mann?«
    »Tja, der Mann.« Louise hielt inne, dachte: keine Lügen, aber die Wahrheit konnte man doch auch nicht erzählen. Die Ahnungen.
    »Sie kriegen ihn, oder?«
    »Davon bin ich überzeugt. Au ist ... Wir haben viele Leute hier.«
    Carola lächelte flüchtig, schien etwas sagen zu wollen, schwieg, doch Louise sah den Satz in ihren Augen, an ihrem Lächeln: Und Sie sind bei uns.
     
    Während sie die Reisetasche auspackte, rief Alfons Hoffmann an. »Wir haben jetzt ein totales Kuddelmuddel«, sagte er. Biljana Lončar, hatte Thomas Ilic von seinem Kontakt in Zagreb erfahren, war orthodox gewesen.
    »Ja, und?«
    »Illi sagt, das heißt, sie war Serbin. Kroatische Serbin.«
    Louise setzte sich aufs Bett. Antun Lončar, als Heinrich Schwarzer im bosnischen Štrpci geboren, deutschstämmig, in Poreč in Slawonien zum Kroaten geworden. Biljana, im kroatischen Poreč geboren, orthodoxe Serbin.
    Sie stöhnte leise.
    »Noch was«, sagte Alfons Hoffmann.
    Noch mehr Kuddelmuddel.
    Die Lončars, hatte Thomas Ilic von seinem Kontakt in Banja Luka erfahren, waren 1992 nach Štrpci gezogen. Dort hatte es zwar nie jemandem mit dem Namen Lončar gegeben, aber eine Familie mit dem Mädchennamen Biljanas, einem unaussprechlichen Namen, sagte Alfons Hoffmann und stieß einen Schwall von Zischlauten hervor, so ungefähr habe er bei Thomas Ilic geklungen. »Illi sagt, sie sind vermutlich nach Bosnien, weil es während des Krieges für eine kroatische Serbin in Slawonien zu gefährlich war. Zuerst, sagt er, haben die Serben Kroatien überfallen, 1991 Vukovar eingenommen, Osijek zehn Monate lang belagert, halb Slawonien erobert. Kein Wunder, sagt er, dass es für die Serben in den Dörfern Slawoniens nicht gerade angenehm war.«
    Louise stand auf, trat an das kleine Fenster, blickte auf ein Stück Dachschräge. Darunter lag, in der Dunkelheit unsichtbar, der verwilderte Gemüsegarten. Sie schloss den Fensterladen, zog die Vorhänge zu. Antun Lončar hatte seine Frau in Sicherheit bringen wollen, war mit ihr und der Tochter vor dem Krieg in

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