Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
werde ihr nicht helfen, Lončar zu töten.
    Da wurde ihr klar, auf welchem Weg sie war.
    Sie nahm die Waffe, gab sie Ben Liebermann zurück, ging.

25
    AUCH IN OSIJEK gab es schier endlose Straßen, eine davon, die J. J. Strossmayera, begann am Hauptplatz und führte in westlicher Richtung aus der Stadt. Ben Liebermann hatte es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht. Er hatte zwei Becher Kaffee mitgebracht, Radio Otvoreni eingestellt, den angeblich besten Musiksender Kroatiens, deutete hin und wieder mit dem Becher die Richtung oder die Spur an. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie über ihn nachdenken wollte, dass sie ihn ansehen, mit ihm reden, sich Osijek von ihm zeigen lassen wollte. Antun Lončar für ein paar Stunden oder Tage mit Ben Liebermann vergessen.
    Carola vergessen.
    Sie wusste, dass sie noch nicht vergessen konnte.
     
    Josipovac, ein Dorf am westlichen Ende von Osijek, soweit er wisse, sagte Ben Liebermann, von Deutschstämmigen gegründet. Er deutete mit dem Becher auf Häuser links und rechts, siehst du, die typische donauschwäbische Architektur, schmale Seite zur Straße, Laubengang mit Säulen, früher auch ein Innenhof und Wirtschaftsgebäude. Nach Josipovac ging es über Land, zwischen Wiesen, Wäldern, Feldern hindurch, gejagt und überholt von ungeduldigen Einheimischen. »Und das, was ist das?«, fragte Ben Liebermann und deutete auf das Einschussloch im Armaturenbrett. Louise begann, von Taro, dem japanischen
Mönch, zu erzählen, aber dann wurde ihr bewusst, dass Taro und Niksch und Hollerer nicht hierhergehörten, und auch Ben Liebermann gehörte irgendwie nicht hierher. Valpovo, das musste sie mit sich allein ausmachen.
    »Später«, sagte sie. »Wenn alles andere erledigt ist.«
     
    Petrijevci, ein langgestreckter Ort, der mit der kurvenreichen Straße mäanderte. Ben Liebermann deutete links und rechts, auch hier deutsche Häuser. Dann wieder Landstraße, dann wies er schweigend nach rechts, sie bog ab, Valpovo.
     
    Valpovo, um die dreißig Kilometer nordwestlich von Osijek, die letzten vier, fünf Kilometer eine schmale Straße in den Ort hinein, auf einen einzelnen Turm zu, keine Kirche, wie sie vermutet hatte, sondern das barocke Schloss. Ben Liebermann lotste sie durch die unauffällige, ungeordnete Stadt, hundert Meter Zone dreißig, als sie im Zentrum am Schloss vorbeikamen, einem hübschen, restaurierten Gebäude in einem Park. Rechts die Fußgängerzone, drei, vier Cafés und die Kirche im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel. Ein paar Abzweigungen weiter war Valpovo ganz offensichtlich schon zu Ende, ging nahtlos in den nächsten Ort über. Ben Liebermann wies auf einen Supermarkt links von der Straße, der noch in Valpovo lag, da ungefähr, sagte er, war das Lager gewesen. Sie fuhr auf den Parkplatz, stellte den Motor ab, das also war alles, das war Valpovo, der Ort, nach dem sie sich merkwürdigerweise so gesehnt hatte, von dem sie geträumt hatte, Tausende Schemen auf dem Weg nach Valpovo, darunter sie, eine Art verheißenes Land trotz der ungewohnten Betonung, der schweren ersten Silbe, Valpovo, ein Wort, das sie tage- und nächtelang begleitet
hatte, das sie auf Landkarten und in Büchern gesucht hatte, getrieben von dieser unerklärlichen, lächerlichen Sehnsucht, dort eines Tages hinzukommen, in den Ort und in das Wort, in das Land Valpovo zwischen Save und Drau.
    Ein gesichtsloses Zentrum, ein barockes Schloss, ein Supermarkt, ein Parkplatz, das also war Valpovo.
    Ben Liebermann sagte und tat nichts, ließ sie in Ruhe weinen.
     
    Der Friedhof von Valpovo lag ein wenig außerhalb des Ortes an der Ausfallstraße. Schweigend gingen sie die Wege und Pfade entlang, auf der Suche nach Grabsteinen mit deutschen Namen und dem Todesjahr 1945 oder 1946 . Ben Liebermann wirkte unruhig, immer wieder hob er den Blick, sah sich um. Louise wollte sagen, dass er nicht nach Antun Lončar Ausschau halten müsse, sie werde es schon spüren, wenn er in der Nähe sei, aber das war nun doch ein wenig übertrieben, das war nun wirklich Blödsinn, Bonì.
    Was geschieht nur mit dir?
    Die Sehnsucht nach einer fremden Stadt in einem fremden Land, eine vollkommen verrückte Reise, das Intermezzo mit der Waffe, auf einem Parkplatz heulen, weil Valpovo nur Valpovo war ...
    Aber damit hatte es natürlich nicht begonnen, dachte sie, es musste viel früher begonnen haben, tief in ihr, wo vielleicht seit Jahren die Sehnsucht nach einer Heimat saß, ohne dass sie es bemerkt hatte.
    Es war

Weitere Kostenlose Bücher