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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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hatten ihm gereicht, um innerhalb weniger Sekunden spurlos zu verschwinden.
    Mit den Schuhen in der Hand.
     
    Als es dunkel war, beendete Louise den Einsatz. Bis auf Anne Wallmer, Mats Benedikt und ein paar Schutzpolizisten vom Revier Süd schickte sie alle Kollegen in die Dienststellen zurück. Sie ließ Kaffee und belegte Brötchen besorgen, setzte sich mit Anne Wallmer und Mats Benedikt zum Essen in einen Dienstwagen des Reviers. Sie trug den grünen Pullover einer Schutzpolizistin, ihre Jacke hing noch immer an der Garderobe der Niemanns. Sie stank nach kaltem Schweiß und fror. Wieder und wieder sah sie einen älteren, erschöpften Mann vor sich, er stand auf einer Straße, die Schuhe in der Hand, dann tat er einen Schritt zur Seite und war verschwunden.
    »Scheiße«, sagte sie.
    Anne Wallmer und Mats Benedikt sagten nichts. Sie waren müde, erschöpft, frustriert. Mats Benedikt hatte zu Hause angerufen, Anne Wallmer eine Verabredung abgesagt. Die Überstunden hatten begonnen.
    Auf der Straße standen noch eine Handvoll Anwohner. Die meisten waren in ihre Häuser zurückgekehrt. Für ein paar Stunden hatte in Merzhausen Aufregung geherrscht, mit der Dunkelheit war die Ruhe zurückgekehrt. Er hätte die Aufregung nutzen können, dachte Louise, er konnte die Dunkelheit nutzen. Er war nicht nur das Wegrennen gewöhnt, sondern auch das Untertauchen.
    »Scheiße«, sagte sie.
     
    Um sieben kam Rolf Bermann. Eines seiner zahlreichen Kinder lag schlafend im Fond des schwarzen Daimler, Kindergeburtstag in Ehrenkirchen. Jetzt waren der Vater und der Sohn auf dem Heimweg, ich dachte, sagte der Vater, ich schau mal kurz vorbei.
    »Nichts«, sagte Louise. »Rein gar nichts.«
    Bermann nickte. Er hatte sich von Alfons Hoffmann auf dem Laufenden halten lassen. »Du kriegst Verstärkung. Bob hat Kontakte nach Schwenningen, da sind ein paar Kommissaranwärter unterbeschäftigt.«
    »Kommissaranwärter aus Schwenningen.«
    »Ja«, sagte Bermann vergnügt. »Schwaben.«
    Sie nickte. Die erstarrte Welt des Rolf Bermann kam ohne Feindbilder nicht aus. Die Badener und die Schwaben, das war so Tradition.
    »Lass sie Bleistifte spitzen. Fotokopien machen. So was.«
    »Fahr nach Hause, Rolf.«
    »Ja«, sagte Bermann vergnügt.
    Während sie dem schwarzen Offroader nachblickte, versuchte sie, sich an ein Wort zu erinnern, das im Lauf des Abends in Merzhausen gefallen war. Ein Wort, das nicht zu Ende gedacht worden war.
    Aber sie kam nicht darauf.
     
    »Glück«, sagte Anne Wallmer. »Er hat einfach Glück gehabt.«
    »Soll tatsächlich vorkommen«, sagte Mats Benedikt gähnend.
    »Schlicht und einfach Glück.«
    Sie standen an der Stelle, wo die Spuren endeten. Wo der Mann verschwunden war. Wo er wieder und wieder stehen blieb, die Schuhe auszog, verschwand.
    Glück, dachte Louise.
    Die Luft war kalt und feucht, Nebel war heraufgezogen. In der Dunkelheit bellten Hunde, in der Ferne rauschte der Autoverkehr über die Hexentalstraße. Der Nebel machte das Licht der Straßenlampen milchig.
    Schlicht und einfach Glück.
    Rechts und links der Straße befanden sich alleinstehende Häuser mit Vorgärten und Durchgängen in die Gärten hinter den Häusern. Der alte Teil von Merzhausen. Holzschuppen, Hundehütten, Gebüsch, Kellertreppen, Waschküchen mit unverschlossenen Türen. Ja, mit ein bisschen Glück konnte man da unbemerkt bleiben, selbst wenn Dutzende Polizisten durch die Vorgärten und die Durchgänge und die Gärten krochen.
    Aber sie glaubte nicht daran. Ein Krieger in einem vermutlich fremden Land verließ sich nicht auf das Glück.
    Worauf dann?
    Sie fand keine Antwort. Sie war müde, fixiert, blockiert. Sie wollte allein sein, allein hier sitzen, in der Dunkelheit, um zu begreifen, wie der Mann wieder und wieder verschwand. Die ganze Nacht mit ihm allein sein, um zu begreifen, was für einer das war.
    Was für einen Krieg er führte.
    Mats Benedikt gähnte. Anne Wallmer gähnte mit. Im Nebel stand ein Mann, zog sich die Schuhe aus, verschwand.
    »Machen wir Schluss«, sagte Louise.
    Mats Benedikt schüttelte den Kopf. »So war’s nicht gemeint.«
    »Doch«, sagte Anne Wallmer.
    Sie lachten leise. Das Lachen löste die Blockade. Wer sich nicht auf das Glück verlassen wollte, der machte einen
Plan. Einen Plan für den Fall, dass irgendwann mal was schiefging und nur fünfzig Meter blieben, um zu entkommen.
    Schlicht und einfach einen Fluchtplan.
     
    »So ist sie«, sagte Anne Wallmer und schüttelte den Kopf.
    »So bin ich«,

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