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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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kurzem, rotem Haar stand auf der Schwelle, blickte zu ihnen herüber. Das kleine
Gesicht und die selbstbewusste Haltung erinnerten an Henriette Niemann. An Paul Niemann erinnerte auf den ersten Blick nichts.
    Das Mädchen winkte, Paul Niemann winkte lächelnd zurück. »Meine Tochter Carola.«
    »Ja.«
    »Sie sollten mit ihr reden. Sie ist ... Also, sie sieht viel, und sie macht sich viele Gedanken. Vielleicht ...« Paul Niemann brach ab.
    »Morgen«, sagte Louise. »Jetzt muss ich ins Büro und dann ins Bett.«
    Er nickte.
    »Ich steig jetzt aus, Herr Niemann.«
    »Ich ... Ich habe ihn fotografiert.«
    »Den Mann?«
    »Heute Nachmittag, als Sie ...«
    »Lassen Sie sehen.«
    Paul Niemann zog die Digitalkamera aus der Jackentasche, schaltete sie ein, betätigte Tasten, reichte sie ihr, hier drücken, um durchzuklicken. Ja, da war er, der Krieger, rannte in weiter Ferne, von schräg hinten aufgenommen, kaum sichtbar vor dem dunklen Acker, dem dunklen Wald, eher ein Schatten als ein Mensch. Dann, auf dem nächsten Foto, war er näher, ein Stück herangezoomt, wenn auch unscharf, ein verschwommener Körper, vom Kopf war nur das eisgraue Haar zu sehen. Die nächste Aufnahme zeigte ihn noch ein wenig näher, jetzt hatte er den Kopf gedreht, seine linke Gesichtshälfte war zu sehen, Paul Niemann musste exakt in dem Moment ausgelöst haben, als sich der Mann nach ihr umgedreht hatte.
    »Das sind alle, mehr konnte ich leider nicht machen.«
    »Wo ist der Zoom?«
    »Oben rechts.«
    Sie zoomte das Gesicht des Mannes heran, bis es sich in der Unschärfe auflöste. Sie wusste, dass die Techniker selbst aus der Unschärfe noch etwas herausholen würden.
    »Nicht zu fassen ... Fotografieren Sie den Kerl.«
    »Tja.« Paul Niemann lachte unsicher.
    »Nicht zu fassen.«
    »Ich ... Leider sind die Aufnahmen nicht gut, ich meine, ich war so weit weg, und ich konnte ja nicht laufen, sonst ...«
    »Für ein erstes Fahndungsfoto wird’s reichen.«
    »Meinen Sie?«
    »Meine ich.«
    Sie stiegen aus, gingen auf das Mädchen zu, das ihnen mit dunklen, ruhigen, wachsamen Augen entgegensah. Eine seltsame Kraft ging von ihm aus, eine natürliche Würde. Henriette mochte die schützende Klammer um die Familie sein, dachte Louise, aber ihr Zentrum war das Mädchen.
    Morgen, dachte sie, nicht jetzt. Nicht wieder von vorn anfangen, jetzt, wo es zu Ende geht.
    »Ich muss den Fotoapparat einstweilen behalten.«
    »Ja, natürlich.«
    »Bis morgen früh werden wir’s nicht schaffen. Falls Sie ...«
    Nach Landwasser fahren oder nach Lahr oder nach Merzhausen – sie musste es nicht aussprechen.
    »Oh, das macht nichts«, sagte Paul Niemann und zog aus der anderen Jackentasche eine zweite Digitalkamera.
     
    Dann wurde sie dem Mädchen vorgestellt, das immer noch würdevoll, aber auch ein bisschen kühl wirkte, anschließend dem Jungen, der schon eher an den Vater erinnerte,
auch so blass und unsicher war, dann kam die Mutter und lud sie auf einen Tee oder einen Kaffee oder ein Gläschen ein, vielleicht ja jetzt? Sie geriet ernsthaft in Versuchung, ein Tee, dachte sie, und hinterher was zu essen, und dann in die Badewanne, die sie sich groß und weiß und elegant vorstellte, und dann aufs Sofa im zweiten Stock, ein bisschen fernsehen unter einem Berg von Decken in einem Haus ohne Gerüst, und morgen geweckt werden von Henriette Niemann mit einem Becher Kaffee, und dann weiterreden von Frau zu Frau ...
    Sie schüttelte den Kopf, ein anderes Mal.
     
    Auf der Fahrt ins Büro fiel ihr ein, dass Jenny Böhm nicht angerufen hatte. An einer Ampel wählte sie ihre Handy-nummer, doch die Nummer war nicht mehr gültig. Im Weiterfahren wählte sie die Auskunft, ließ sich zum Festnetz der Wohnung verbinden, doch weder Jenny Böhm noch ihr Mann nahmen ab, und einen Anrufbeantworter gab es nicht. Sie ließ sich ins Pfarramt verbinden, lauschte der Bandansage, während sie in die Überwachungskamera der Verkehrskollegen winkte, die keine Strafbescheide schickten, sondern gelegentlich ein Foto. »Frau Böhm«, sagte sie sanft, »Frau Bonì bittet um Rückruf.«
     
    Um zehn war sie in ihrem Büro, um elf hatte sie die Unterlagen, die Anne Wallmer, Mats Benedikt und Alfons Hoffmann auf ihrem Schreibtisch abgelegt hatten, gelesen und gegengezeichnet und einen Bericht der Ereignisse des Tages ins Diktiergerät gesprochen, außerdem das Formular für die DNA -Untersuchung der Zigarette ausgefüllt, für die ein richterlicher Beschluss notwendig war. Sie ging zu Alfons

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