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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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lächelte so entspannt wie möglich.
    »Louise?«
    »Ja ...« Sie brauchte sämtliche Streifen, die sich in der Nähe befanden, möglichst viele Kollegen vom Revier Süd, Anne Wallmer und Mats Benedikt. Falls sich einer der Hubschrauber der Stuttgarter Staffel im Breisgau befand, brauchte sie den auch. Und natürlich die Hundestaffel.
    Alfons Hoffmann schnaufte. Das kostete Geld.
    »Bleib dran«, sagte er. Sie hörte ihn in seinem Stuhl herumrollen, das andere Telefon abnehmen, hörte, wie er vor sich hin murmelte: »Was ist das bloß für ein Kerl?«
    Einer, der zurückkam zum Tatort, dachte sie. Der vielleicht nie weggewesen war.
    Kehr um, sagte ihr Gefühl. Der ist nicht dumm, der hat kapiert.
    »Ich leg jetzt auf, Alfons«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass er sie nicht hören konnte.
    Paul Niemann trat auf die Terrasse, die Stirn gerunzelt, der Blick fragend. Der ist auch nicht dumm, dachte sie, der hat auch kapiert. Sie lächelte wieder.
    »Nicht auflegen, ja?«, rief Alfons Hoffmann.
    Sie unterbrach die Verbindung. Paul Niemann sagte etwas, aber sie gab sich keine Mühe, ihn zu verstehen. Sie wandte sich um, ging zum Gartentürchen zurück.
    Der Mann rannte, hatte sich schon ein gutes Stück entfernt.
    Fluchend lief sie los, parallel zu ihm, unterhalb, auf dem Schotterweg entlang der Gärten. Sie kam schneller voran als er, doch zwei-, dreihundert Meter vor ihm befanden sich Häuser, Straßen, die südwestlichen Ausläufer Merzhausens, dort würde sie ihn aus dem Blick verlieren. Im Rennen betätigte sie die Wahlwiederholung, Alfons Hoffmann ließ sich Zeit, hatte Mats Benedikt auf der anderen Leitung, sie rief, schick die Streifen sofort los, er haut ab, südwestliches Merzhausen, nahe der Hexentalstraße, und er sagte, sind schon unterwegs, versprich mir, dass du von ihm wegbleibst, versprichst du mir das? »Ja, ja«, rief sie und rannte weiter, den Mann nicht aus dem Blick lassend, der einmal flüchtig den Kopf drehte, dann nicht mehr. Sie glaubte zu sehen, dass er langsamer wurde, ein älterer Mann, der sich durch die nasse, tiefe Erde des Ackers mühte, und sie dachte, dass sie ihn vielleicht doch einholen würde, bevor er die Häuser erreichte. Hinter ihr erklangen in der Ferne Martinshörner, weit im Südwesten auf der Hexentalstraße sah sie Blaulicht herankommen. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass der Mann stolperte, doch er fing sich rasch, rannte weiter, wieder ein wenig langsamer, aber er bewegte sich geschickt und zielstrebig, als wäre er das Weglaufen gewöhnt. Plötzlich waren Spaziergänger vor ihr, zwei alte Frauen, die stehen geblieben waren, sie hob die Dienstmarke, rief »Polizei!«, winkte die Frauen zur Seite, aber sie gingen nicht zur Seite, starrten
sie nur erschrocken an. Sie sprang in den Acker, um auszuweichen, sackte in die schwere, tiefe Erde, kehrte auf den Weg zurück, dann hatte sie die Querstraße erreicht, fast gleichzeitig mit dem Mann, doch als sie die Richtung änderte und nach Süden weiterrannte, lief er schon in das Viertel hinein und verschwand aus ihrem Blickfeld. Von allen Seiten erklangen jetzt Martinshörner, von vorn kam ihr eine Streife entgegen. Sie zählte die Sekunden, während sie rannte, fünf, sechs, sieben, bei zehn erreichte sie die Kreuzung und bog ab.
    Eine schmale, stille Straße, parkende Autos zu beiden Seiten, der Mann war nicht zu sehen. Im ersten Moment dachte sie, dass er sich hinter einem der Autos verbarg, doch dann sah sie die Schuhabdrücke in der Mitte der Straße, deutliche Abdrücke zweier tiefer, von Erde verklebter Sohlenprofile.
    Zwanzig Meter weiter endeten die Abdrücke urplötzlich.
    Sie blieb stehen.
    Er hatte die Schuhe ausgezogen.
    War verschwunden.
     
    Sie fanden ihn nicht. Zehn Streifen fuhren durch das Viertel, weitere dreißig Beamte durchsuchten Gärten, Keller, Höfe, ein Hubschrauber der Stuttgarter Staffel zog seine Kreise über Merzhausen, Schönberg, Hexental. Louise, Anne Wallmer, Mats Benedikt und sechs Kripokollegen befragten die Anwohner, niemand hatte etwas gesehen oder gehört – keinen flüchtenden Mann, kein startendes Auto. Sie versuchten es mit Hunden, ließen sie an den Schuhabdrücken riechen, am Straßenpflaster, wo er vielleicht in Socken aufgetreten war, auch das brachte nichts. Sie überprüften knapp hundertdreißig parkende Autos –
kein Wagen, der nicht zugeordnet werden konnte, kein Besitzer, den zu überprüfen nahe lag. Es blieb dabei: Sie fanden ihn nicht. Kaum fünfzig Meter Vorsprung

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