Im Auftrag der Väter
nicht weiß.«
»Das Internet kann nicht assoziieren, Alfons, oder? Es kann sich nicht an was Ähnliches erinnern.«
»Ich dachte, das kann es.«
Alfons Hoffmann und das Internet. Bis vor zwei Jahren hatte er nicht einmal gewusst, was das war. Dann hatte er mit Elly gearbeitet, der rothaarigen Königin der digitalen Recherche aus dem Dezernat Organisierte Kriminalität. Was nicht hatte ausbleiben können, war geschehen: Er hatte sich väterlich und wohl auch anderweitig in Elly verliebt. Weil er sie weder väterlich noch anderweitig hatte haben können, hatte er sich ersatzweise und umso heftiger ins Internet verliebt, Ellys Medium, Ellys Leidenschaft.
Das Internet sagt. Das Internet glaubt. Das Internet weiß.
»Alfons.«
»Ja, ja.«
Sie beendete die Verbindung.
»So ist mit Johannes Miller«, sagte Sophie Iwanowa.
»Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist alles ganz anders.«
Sophie Iwanowa zuckte die Achseln.
»Irgendetwas stimmt noch nicht, Sophie.«
»Ich fühle, dass er ist. Der Mann, den Sie suchen.«
»Warten wir ab.«
Sophie Iwanowa nickte stumm.
Schweigen legte sich über den kleinen, mit so vielen Schicksalen vollgestopften Raum. Louise dachte an ihre Gespräche mit Friedrich und mit Alfons Hoffmann. Ein Zigarettenetui. Eine Gravur. Wapolwo 1945 , aber irgendwas stimmte nicht mit dem Wort. Genauso wie irgendetwas nicht stimmte mit dem alten Krieger und dem Kanadaring.
Sie würde wegen des Wortes bei Friedrich nachfragen. Sie musste ihm ohnehin das Foto von Johannes Miller zeigen.
Friedrich, der Chronist und Russenhasser, der mit einem Russen Sliwowitz trank.
Auch da, dachte sie, stimmte doch irgendetwas nicht.
8
SIE VERLIESSEN SOPHIE IWANOWAS BÜRO , traten in die Sonne hinaus. Über eine Grünfläche gingen sie auf eines der Laubenganghäuser zu. Johannes Miller hatte bei der Schwester und deren Familie gewohnt. Seit sie fort waren, wohnte er zur Untermiete bei »Waldemar und Emma«. Er bekam sein Essen, seinen Streuselkuchen, Gesellschaft, vertraute Traditionen, ein bisschen Wärme. Aber all das half nicht. Er bekam keine Arbeit.
Sophie Iwanowa erzählte die Geschichte von Waldemar und Emma Kaufmann, Louise hörte nur mit einem Ohr zu. Wolgadeutsche, im August 1941 deportiert, das bekam sie noch mit, dann schaltete sie ab. Zu viele Geschichten für einen halben Tag, fand sie, erst das »Bergfest« und der Jungspund, dann der kleine Junge mit dem gelben Fahrrad, Sophie Iwanowa und der Kreisverkehr. Am Ende Johannes Miller, der vielleicht der Mann war, den sie suchten, vielleicht auch nicht.
Das reichte an Geschichten für einen halben Tag.
Sophie Iwanowa winkte zu einem Fenster hinauf. Hinter einer weißen Gardine winkte eine Hand zurück.
»Wissen Sie, was Johannes Miller getrunken hat?«
»Was er getrunken hat? Nein, das ich habe ihn nie gefragt.«
»Hat er Sliwowitz getrunken?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was solche Leute trinken.«
»Solche Leute? Menschen aus Friedental?«
Sophie Iwanowas Hände, Schultern, Haare gerieten in Bewegung, aber nein, doch nicht
solche
Leute.
Ach, nein, Sophie?
»Menschen, die trinken.«
Ach so, Sophie. Solche Leute. Louise nickte müde. Die fangen mit Wein und Bier an, Sophie. Irgendwann reicht das nicht mehr. Dann trinken sie Jägermeister, Wodka oder Bourbon. Oder Davidoff oder Tuica. Oder Sliwowitz. Oder alles zusammen. Das reicht dann.
Sie sagte nichts.
»Wir fragen Waldemar und Emma.«
»Gut.« Louise nickte, dachte: Solche Leute.
Ein bisschen Verständnis, Sophie, statt Angst, wie wäre das? Friedental, Friedland, Sophie, das kann einen schon zum Trinker machen. Eine gescheiterte Ehe, ein Toter im Schnee, ein Bruder in einem Autowrack. Oder?
Sie schnitt eine Grimasse. Schluss jetzt, Bonì.
Sie fragte, wie gut Johannes Miller Deutsch sprach. Nicht gut, erwiderte Sophie Iwanowa. In Friedental hatte die Familie Deutsch gesprochen. In Krasnojarsk war es besser gewesen, Russisch zu sprechen. Im Kanadaring hatte Johannes Miller die Sprachkurse besucht, gelernt hatte er kaum etwas.
Louise dachte an Paul Niemanns Aussage. Einer, der als Kind Deutsch gelernt und es dann lange nicht gesprochen hatte.
Endlich mal wieder etwas, das stimmte.
Sie betraten das Laubenganghaus. Sophie Iwanowa zeigte im Gehen mit den Händen nach oben, unten, rechts und links, braucht Renovierung, Louise, nicht hinschauen. Louise
schaute hin. Alles vergilbt, veraltet, vernachlässigt. Renovieren war teuer, sagte Sophie Iwanowa, fürs Renovieren
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