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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Ja, möglicherweise. Die kurzen grauen Haare, vielleicht die eckige Stirn, die Nase. Das Gesicht schmäler, aber er konnte inzwischen zugenommen haben. Das Foto, hatte Sophie Iwanowa erklärt, war sechs, sieben Jahre alt.
    »›Friedental, Friedland, Johannes‹, hab ich ihm immer gesagt. ›Bist schon am richtigen Ort in Deutschland.‹«
    »Er wollte zurück?«
    »Nach Krasnojarsk. In die Vergangenheit.« Sophie Iwanowa runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf, Hände und Haare flogen: in die
Vergangenheit
! »Er hatte hier keine Arbeit, hat hier nie Arbeit gefunden. Er war still, aber so, dass viele Angst hatten vor ihm. Dass man dachte, er schlägt vielleicht. Niemand wollte ihm Arbeit geben. Vor drei Jahren fing an mit Trinken, da hatte ich auch Angst.«
    »Und seine Schwester?«
    »Ist mit Familie weg, 2000 , nach Hamburg sind die. Johannes Miller wollte nicht weg. Ich weiß nicht, vielleicht er wollte nicht
wieder
weg. Wollte lieber hier bleiben, ohne Familie, ohne Arbeit. Aber es wurde immer schlimmer. Er war oft hier, bei mir. Saß vor mir und war still und hörte zu. Kam immer wieder, aber dass er was sagte – nee. Kaum sprach der ein Wort. Wenn ich sage, Johannes Miller, hör auf mit Trinken, nickt er und macht die Augen zu, und ich weiß, er wird versuchen. Er schämt sich, weil er trinkt, weil er hat keine Arbeit. Einmal kommt er mir auf der Straße
entgegen. Er sieht mich und geht auf andere Seite. So ist das mit ihm.«
    Zweimal war Johannes Miller für mehrere Wochen verschwunden. Dann war er wieder da gewesen, hatte wieder vor Sophie Iwanowa gesessen und geschwiegen. Jetzt war er seit zwei Monaten verschwunden. Sophie Iwanowa hatte die Hände auf dem Tisch gefaltet und bewegte sich nicht. »Was hat er gemacht?«
    »Falls er es ist.« Louise zog den Abzug der Niemann-Fotografie heraus, reichte ihn ihr.
    Sophie Iwanowa wog den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht.«
    »Eher ja oder eher nein?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Und was denken Sie?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ja. Ist sehr unscharf und weit weg.« Sophie Iwanowa hielt für einen Moment inne, blinzelte, ihre Augen waren feucht. »Was ich denke? Ja. Er ist, Louise. Ich fühle das. Friedental, Friedland, das war keine gute Omen für Johannes Miller. Er ist.« Sie nickte, gab das Blatt zurück. »Was hat er gemacht?«
    Louise erzählte. Sophie Iwanowa hatte die Hände vors Gesicht gelegt, hörte reglos zu. Der Psalm schien sie endgültig zu überzeugen. Johannes Miller war gläubig, war »lutherisch«. Sonntag Gottesdienst, Mittwoch Versammlung, Donnerstag Bibelstunde, Samstag Versammlung. Irgendwann kam er nur noch am Sonntag. Nachdem er zu trinken begonnen hatte, blieb er auch den Gottesdiensten fern. Kein Eiferer, aber tiefgläubig, zumindest »vorher«, vor dem Trinken, der Scham, der Verzweiflung. Hatte nie einen Fernseher besessen, wie viele Ältere im Viertel, das Fernsehen zeige nur, was nicht gezeigt werden dürfe, was nicht
sein dürfe, es zeige die Sünde. Es erziehe, hatte Johannes Miller gesagt, nicht zur Barmherzigkeit und nicht zur Ehrlichkeit.
    Aber all das war vorher gewesen, als die Schwester noch hier gelebt, als er noch nicht getrunken hatte.
    So war das mit Johannes Miller.
    Louise nickte schweigend. Was man alles tat, wenn man trank.
    Und was man alles nicht mehr tat.
     
    Sie rief Alfons Hoffmann an, gab die Daten von Johannes Miller durch, die Adresse der Hamburger Schwester. Schau mal, ob du was findest, wäre möglich, dass er es ist. Wäre möglich? Ja, möglich, sicher ist es nicht. Sie musterte Sophie Iwanowa, die ihren Blick erwiderte. Die Zähne nagten an der Unterlippe, die Finger strichen übereinander, ja, jetzt wurde es offiziell, Sophie. Bis vor wenigen Minuten hatte Johannes Miller unter Sophie Iwanowas Schutz gestanden, jetzt nicht mehr. Jetzt war er tatverdächtig, wurde gesucht. Sophie Iwanowa hatte ihn dem Staat übergeben. Den Einheimischen.
    Ob ihr das durch den Kopf ging?
    »Hör mal, dieses Wapolwo«, sagte Alfons Hoffmann, »da stimmt was nicht.« Er hatte die Suche mit dem Internet begonnen. Kein einziger Treffer. Er hatte Buchstaben geändert, getauscht. Nichts. Also hatte er die Suche beendet. Kein einziger Treffer im Internet? Da musste man nicht weitersuchen, da stimmte was nicht.
    »Warte.« Louise fragte Sophie Iwanowa, die stumm den Kopf schüttelte. »Versuch es weiter, Alfons. Ruf irgendeinen Historiker an. Ruf die Uni an. Muss ich dir das wirklich sagen?«
    »Aber wenn das Internet es

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