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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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vertrieben seit vierundvierzig.«
    »Die Deutschen aus Jugoslawien?«
    Wieder das Erstaunen in Waldemars Blick, wieder Stille in der Küche. Sie schmunzelte. Leute, stellt euch nicht so an.
    Sie stand auf, zog den Vorhang zurück. Das blaue Dämmerlicht machte sie wirr im Kopf. Sie brauchte jetzt Sonnenlicht, um denken zu können. Eine Gravur in einem Zigarettenetui, »Valpovo 1945 «. Valpovo, ein Internierungslager der jugoslawischen Kommunisten für die Deutschen aus Jugoslawien.
    Wieder eine neue Geschichte, ein neuer weiter, fremder Weg.
    Sie setzte sich. »Wen hat Tito vertrieben, Herr Kaufmann?«
    »So. Also. Alle hat der vertrieben, die Ustascha-Kroaten, die deitschen Soldaten, die Jugoslawiendeitschen, alle miteinander. Die Deitschen hat er enteignet und vertrieben, wie der Stalin uns Deitsche in der Sowjetunion enteignet und vertrieben hat.«
    Sie schrieb
Ustascha-Kroaten?, Jugoslawiendeutsche?, Krieg in Jugoslawien?, Enteignungen/Vertreibungen?
    »Wissen Sie noch, wer Ihnen von Valpovo erzählt hat?«
    »Genau weiß ich das nicht mehr.« Waldemar Kaufmann war in der Landsmannschaft der Russlanddeutschen engagiert. Manchmal traf man sich mit anderen Deutschen aus dem Osten, und da waren dann auch Deutsche aus Jugoslawien dabei. Die hatten ihm wohl mal von Valpovo erzählt.
    Louise nickte.
    Valpovo 1945 . Paul Niemann hatte den alten Krieger auf um die sechzig geschätzt. Dann war er 1945 zwei, drei Jahre alt gewesen.
    Sie dachte, dass das Zigarettenetui nichts bedeuten musste. Dass er es irgendwann und irgendwo gefunden, gestohlen, gekauft haben konnte. Dass »Valpovo 1945 « nichts mit ihm zu tun haben musste.
    Doch genauso gut konnte er 1945 in Valpovo gewesen sein. Ein kleiner deutschstämmiger Junge in den Wirren der Nachkriegszeit, irgendwo in einem Lager in Jugoslawien. Irgendwer bastelte ein Zigarettenetui und schenkte es ihm.
    Dann, dachte sie, hätten sie den Anfang der Geschichte.
     
    Ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl, ein kleiner Schreibtisch, die Kanten angestoßen, das Holz ausgetrocknet, durch unzählige Hände und Zimmer gewandert, jetzt standen sie im Zimmer von Johannes Miller. Das Bett war gemacht, an der Schranktür klebten Fotografien. Auf dem Tisch eine Vase mit weißen Chrysanthemen. Weiße Gardinen vor dem Fenster, Staub, der Geruch nach Einsamkeit, Anonymität, Stillstand. Ein Zimmer, wie sie viele gesehen hatte im Lauf der Polizistinnenjahre – in Obdachlosenheimen, Wohnheimen alleinstehender Männer. Meistens, dachte sie, sahen die Zimmer gestrandeter Männer so aus. Frauen strandeten anders.
    Nur das Bett war ungewöhnlich. Drei riesige Kissen mit gehäkeltem Bezug und Troddeln lagen darauf. Sie brauchte einen Moment, bis sie auf den Namen kam. »Paradekissen«.
    »So. Also«, sagte Waldemar Kaufmann, der sie hergeführt hatte. »Dann lass ich Se mol allein.«
    Sie nickte.
    Johannes Miller, dachte sie, geboren in Friedental/Russland, deportiert nach Sibirien, das war jetzt wieder die andere Geschichte. Die anderen Deutschen aus dem Osten.
    Verwitwet nach einem Jahr Ehe. Keine Kinder. 1996 mit der Schwester und deren Familie nach Deutschland. Seit 2000 allein.
    Friedental/Friedland, kein gutes Omen.
    All das war irgendwie in dieses Zimmer eingeschrieben.
    Sie zog Wegwerfhandschuhe an und trat zum Schrank. Auf Augenhöhe klebten vier Schwarzweißfotos, zwei Farbfotos. Die Eltern, ein junges Paar, einfach, stolz, blass, er mit Schnurrbart und Fliege, sie mit dunklem Rüschenkleid. Die Eltern ein paar Jahre später, der Vater mit einem Jungen an der Hand, die Mutter mit einem kleinen Mädchen. Johannes Miller als Jugendlicher in einer Art Matrosenanzug. Johannes Miller und eine strahlende rundliche Frau. In Farbe Porträts einer jungen blonden Frau, eines brünetten Mädchens um die acht. Die Nichte, die Tochter der Nichte.
    Im Schrank Unterwäsche, Socken, Hosen, Hemden. Was man als mittelloser Mann so besaß und kein Fetzen Stoff mehr. Ein Zahnputzbecher mit Zahnbürste, ein Wegwerfrasierer. Sie zog drei Plastikbeutel aus der Tasche, steckte Becher, Bürste, Rasierer ein.
    In der einzigen Schreibtischschublade lagen Dutzende Briefe, ordentlich aufeinandergestapelt. Sie nahm sie heraus. Soweit sie sah, trugen alle einen Hamburger Poststempel und waren nach Datum geordnet. Sie öffnete den obersten, aber der Absender hatte auf Russisch geschrieben. Sie öffnete den nächsten, eine Kinderschrift, diesmal auf Deutsch, lieber Opa, Hamburg-Bergedorf ist so schön. Ganz unten ein Name,

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