Im Auftrag der Väter
Gängen des D 11 , missfalle Bob.
Seit dem Gespräch war Bermann auf dem Kriegspfad.
Bermann und Bob, das war von Anfang an nichts gewesen, und es würde nie was werden.
Sie fragte sich, ob Bermann wie sie grundsätzlich ein Problem mit Vorgesetzten hatte. Auch Hubert Vormweg, den Leiter der Direktion, mochte er nicht. Zu viele Unterschiede, die sich in zwei Wörtern bündeln ließen: Altachtundsechziger und Altmacho. Nur Almenbroich, Bobs Vorgänger als Leiter der Kripo, hatte Bermann respektiert und geschätzt. Almenbroich, die Vaterfigur.
»Ich glaube, wir brauchen Illi nicht, Rolf«, sagte Alfons Hoffmann. »Es geht ja wahrscheinlich mehr um Deutsche als um Kroaten.«
»Um Deutsche in Kroatien?«, fragte Mats Benedikt.
»Wahrscheinlich.«
»Wegen Valpovo«, sagte Anne Wallmer.
»Ja«, sagte Louise.
Alfons Hoffmann rutschte auf dem Stuhl herum, verzog unglücklich das Gesicht. Ein Stuhl für mittlere Größen. »Valpovo hat übrigens auch einen deutschen Namen – Walpach. Wenn man ›Valpovo‹ eingibt, kommt immer wieder auch ›Walpach‹.«
Mats Benedikt nickte. Die Brille auf der Stirn, zwei Finger fuhren über den Schnurrbart, ein Anblick, an den Louise sich gewöhnen konnte. »Ein Lager mit einem deutschen Namen.«
»Valpovo ist ein Ort. Eine Kleinstadt.«
»Wo?«
»Ostkroatien, an der ungarischen Grenze.« Alfons Hoffmann hob die Hände, zeigte: Ungarn, Serbien, Kroatien. Slawonien in Kroatien. Valpovo in Slawonien.
»Und da war im Krieg oder nach dem Krieg ein Lager«, sagte Mats Benedikt. »Dem Zweiten Weltkrieg.«
»Ja.«
»Und was hat dieses Lager mit Paul Niemann zu tun?«, fragte Anne Wallmer.
»Wissen wir noch nicht, Anne.« Louise zeigte in Richtung der Stapel. »Hausaufgaben für heute Abend.« Sie schmunzelte. Kein Feierabend, Anne, kein Privatleben, doch eine ansteckende Krankheit. Zwangsansteckung sozusagen.
Anne Wallmer runzelte die Stirn und schwieg.
»Ich fasse mal chronologisch zusammen«, sagte Mats Benedikt.
Anfang Oktober, Lahr. Der Obdachlose Friedrich fand einen Fremden auf seinem angestammten Platz in der Fußgängerzone sitzen. Sie tranken und rauchten zusammen. Der Fremde hatte ein Zigarettenetui mit der Gravur »Valpovo 1945 « und eine Flasche Sliwowitz bei sich. Als Kollegen der Schutzpolizei auftauchten, rannte er davon. Ende Oktober, Merzhausen. Vermutlich derselbe Mann drang bei den Niemanns ein und stellte ein Ultimatum: Verschwindet innerhalb von sieben Tagen, sonst ...
Ja, was würde sonst passieren?
Alle sahen Louise an, niemand antwortete. Dann sagte Bermann: »Und wenn gar nichts passiert?«
Sie nickte. Und wenn gar nichts passierte?
»Gut für die Niemanns«, sagte Alfons Hoffmann. »Gut für uns.«
Sie stand auf, trat ans Fenster. Das Hell und das Blau waren verschwunden, weit hinten am Horizont lag ein letzter, vager Streifen Licht. Aus den Wolken, so kam es ihr vor, kroch tiefe Dunkelheit.
Einen Augenblick lang hielt sie es für möglich. Ein Spinner, der sich mit seinem Einbruch bei den Niemanns ausgetobt hatte, nur Angst und Schrecken hatte verbreiten wollen. Der am Montagnachmittag noch einmal vorbeigeschaut hatte, um zu sehen, ob es geklappt hatte. Der nie wieder auftauchen würde.
»Die Kripo- und die Dezernatsleitung hätten dann ein paar Fragen an die Ermittlungsgruppenleiterin«, sagte Bermann. »Fragen zur Relation von Straftat und ermittlungstechnischem Aufwand. Solche Fragen, weißt schon.«
Sie drehte sich um, sah Bermann an. Solche Fragen. Sie nickte.
Aber sie glaubte nicht daran. Ein alter Krieger, der nur ein Spinner war? Nein. Er hatte einen Plan und würde versuchen, ihn umzusetzen. Er war einen weiten Weg gegangen. Er würde doch nicht einfach so wieder verschwinden.
Sie fröstelte, im Nacken war es plötzlich kühl. Sie glaubte zu spüren, wie sich die Dunkelheit hinter ihr bewegte.
»Er kommt wieder.«
»Ja«, sagte Mats Benedikt.
Bermann breitete die Arme aus. Plötzlich wirkte er ernst. »Wenn er wiederkommt und wir ihn nicht erwischen, kriegst du deine Soko.«
»Vorher nicht?«
»Vorher nicht.«
Sie nickte und setzte sich wieder. Die Frage blieb: Sonst? Verschwindet innerhalb von sieben Tagen, sonst ... Das war das Problem. Dass sie nicht einmal ansatzweise wussten, was er vorhatte. Ob er überhaupt etwas vorhatte.
Sie sprachen über den nächsten Tag. Sie würden den Bauern aus Au aufsuchen, dem der Grund gehört hatte, auf dem das Haus der Niemanns stand. Sie würden sich bei Historikern über die
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