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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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provisorisch verlegten Kabeln, Absperrungen, über Holzplanken, Schutt, herabgefallenen Putz. Das also war ihr Zuhause, gestürmt, besetzt, zerstört von einer freundlichen feindlichen Armee.
    Mit dem Finger wischte sie den Staub von ihrem Namensschild am Briefkasten.
    Nein, Ausziehen kam nicht in Frage.
     
    Auf dem Weg zum Schlossberg dachte sie an den Fall Niemann. Sie hatte die Berichte und Vernehmungsprotokolle der Kollegen gelesen, Fotos gesehen, war selbst jedoch noch nicht vor Ort gewesen, hatte noch nicht mit den Niemanns gesprochen. Sie wusste vieles, hatte Bilder im Kopf, aber das Wesentliche fehlte: der persönliche Eindruck. Die Bilder in ihrem Kopf führten in die Irre.
    Das alte Problem, wenn man spät hinzugezogen wurde.
    Hausfriedensbruch und Einbruch, das hätten die Kollegen vom Revier Freiburg-Süd selbst übernommen. Wegen der Schusswaffe war der Fall ans D 11 gegangen. Da sie am Wochenende Bereitschaft gehabt hatte, war sie vom Kriminaldauerdienst in die Lage eingewiesen worden. Weshalb das erst am Sonntagabend geschehen war, nachdem der KDD die anfänglichen Ermittlungsmaßnahmen wie die Vernehmungen selbst übernommen hatte, blieb noch zu klären. Ohne Kompetenzgerangel ging es selten.
    Doch das interessierte sie nur marginal. Sie war ja gelassen geworden.
    Blieb noch zu klären, ob das gut war oder nicht.
     
    Ein kleines Kirchlein aus rotem Backstein im Schatten des Schlossbergs, Ranken an den Mauern, Gras in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Sie war schon einmal hier gewesen, vor Jahren, als sie noch verheiratet und ein normales Privatleben mit Freunden und Kinoabenden und alltäglichen Demütigungen geführt hatte. Irgendein Kind von irgendwelchen Freunden war hier getauft worden, und ihr Herz hatte geklopft, als das Kind geweint hatte, da hatte sie sich in einem Winkel ihres Polizistinnenherzens noch als spätberufene Mutter gefühlt.
    »Hübsche Pfarrerin«, hatte Mick gemurmelt.
    Auf die Pfarrerin hatte Louise erst Jahre später geachtet, als sie sie in einer Klinik im Wald wiedergesehen hatte. Sie war noch immer hübsch gewesen – aber auch verzweifelt und ohne den Willen weiterzuleben.
    Sie öffnete das schmale, dunkelbraune Portal. Vage Spuren Weihrauch lagen in der Luft. Am Altar brannten Kerzen, auf beiden Seiten standen ein paar Vasen mit halb verwelkten Blumen. Wände und Säulen des Kirchenschiffs waren kahl, durch die hohen, schmalen Fenster drang kaum Tageslicht herein. Abgesehen von ihr selbst war die Kirche menschenleer.
    Kein Ort, an dem man sich morgens um acht gern aufhielt.
    Sie setzte sich in die hinterste Bank. Gedanken an die Taufe, an Mick, ans späte Muttersein strömten durch ihr Bewusstsein – ein anderes Leben, das zum Glück vorbei war. Dann dachte sie an Marcel, den ehemaligen Nachbarn, den sie nur kennengelernt hatte, weil im Sommer 2003 ein anderer, ein falscher Marcel in ihre Wohnung eingedrungen war und sich für lange, lange Monate in ihrem Kopf eingenistet hatte. Als es ihr mit dem falschen Marcel zu bunt geworden
war, hatte sie eines Nachts den echten – der leider nicht der
richtige
Marcel war – aus dem Bett geklingelt. Wollt nur mal wissen, wie Sie aussehen, hatte sie gesagt. Morgens um drei so, hatte er geantwortet, abends um acht beim Italiener am Eck besser.
    Ein anderer Eindringling kam ihr in den Sinn, ein älterer Mann mit Pistole, der gebrochen Deutsch sprach und ein seltsames Ultimatum gestellt hatte. Der ursprünglich vielleicht gekommen war, um zu töten, vielleicht auch nicht.
    Der Herr ist des Armen Schutz, ein Schutz in der Not.
    Ein Eindringling, der einen Psalmvers rezitiert hatte. Nicht ganz korrekt, aber doch so, dass er den Vers auf Deutsch auswendig gelernt haben musste. Sagte zumindest Paul Niemann.
    »Louise?«
    Aus den Schatten der Säulen vorn am Altar löste sich eine Frauengestalt.
    »Wie schön, dass du hier bist, Louise.«
    »Hallo, Jenny.«
    Jenny Böhm blieb drei Bänke vor ihr stehen. Ihre Hand lag auf der Lehne. Eine weiße Hand im Dämmerlicht, ein weißes Gesicht, schön wie eh und je, doch fast so müde und verzweifelt wie in den ersten Tagen und Wochen in der Klinik im Wald.
    »Es geht dir gut, das sieht man.«
    Louise nickte.
    »Wie’s mir geht, sieht man auch.«
    »Ja.«
    »Ich meine,
du
siehst es. Die anderen sehen es nicht.«
    »Die anderen sehen es auch, Jenny.«
    »Ja, aber sie denken, es liegt an der Arbeit. Dass ich zu viel arbeite.« Jenny Böhm setzte sich seitlich in die Bank.
Sie trug Jeans

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