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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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schneller.
    »Herr ... im ... Himmel«, sagte der Mann mit langen, dunklen Vokalen. »Herr im Himmel,
da
.« Er spürte, dass sich der Mann bewegte, dicht an ihn heranrückte. Dann erklangen die dunklen Vokale wieder: »Der Herr ist von Armen Schutz, Schutz im Not.«
    Er nickte, während sein Atem immer schneller ging, immer mehr Luft und Angst in seinen Lungen waren.
    »Der Herr ist von Armen Schutz, Schutz im Not«, flüsterte der Mann.
    »Ja.«
    »Da.«
    »Bitte ...«
    »Gehst du weg«, flüsterte der Mann dicht an seinem Ohr. »Gehst du weg mit Familie.«
    »Ich ...«
    »Gehst du weg, ist
mein
Haus.«
    »Ihr Haus?«
    »Ist
mein
Haus.«
    »Ich ... verstehe nicht ...«
    »Gehst weg mit Familie, ist
mein
Haus.«
    Er nickte, ohne zu begreifen. »Ja, wir gehen weg.«
    »Ist nu mein Haus.«
    »Ja«, sagte er und nickte erneut.
    »Sieben Tag«, flüsterte der Mann. »Gehst weg sieben Tag.«
    »In sieben Tagen, ja.«
    »Komm ich sieben Tag.«
    »Ich verstehe.«
    »Da«,
sagte der Mann dicht an seinem Ohr.
    Eine Bewegung, kaum ein Geräusch, dann war der Mann an der Tür, ein lautloser Schemen in der Dunkelheit. Das vertraute Geräusch, wenn die Haustür aufgeschlossen wurde, Licht und Schatten tanzten ins Wohnzimmer, dann waren die Schatten fort, nur das Licht blieb, das Licht von draußen, und die Stille draußen und die heisere, sanfte Stimme in seinem Kopf:
    Ist mein Haus, ist nu mein Haus.
     
     
    Komm ich sieben Tag.

I
    Sieben Tage
    1
    OBERSCHLESIER , KEINE POLEN , darauf legten sie Wert, obwohl sie sich nur auf Polnisch miteinander unterhielten. Kleine, dunkelblonde Männer, deren Stimmen seit September durch die Wände und Decken des Hauses drangen und seit Oktober auch von draußen durch die Fenster. Sie hießen Christian, Andreas, Matthias, und Louise Bonì mochte sie, ohne sagen zu können, weshalb. Vielleicht, weil sie Leben in das Haus brachten, während sie es in seine Einzelteile zerlegten, damit es später, im Frühjahr, wunderschön und wie neu und unbezahlbar wäre. An dienstfreien Tagen sah sie ihnen morgens, Honigbrot und Kaffeetasse in der Hand, gern durch das Wohnzimmerfenster beim Zerlegen zu. Wenn es regnete, trug sie manchmal ein Funktelefon oder einen Imbusschlüssel oder eine Botschaft von Fenster zu Fenster, um ihnen den glitschigen Weg auf dem Gerüst um ihre Wohnung herum zu ersparen.
    Das einzige Problem war der Lärm. Lärm von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends, sechs Tage die Woche.
    »Entschuldigung für Lärm«, sagte Andreas.
    »Ihr könnt ja nichts dafür«, entgegnete Louise und drückte sich den Schaumstoffkegel wieder ins Ohr.
    Der größte Teil der Mieter war längst ausgezogen, der Rest hielt noch durch. Spekulierte auf eine Abfindung oder eine bessere Zukunft und litt. Für Louise kam Ausziehen nicht in Frage – nie im Leben würde sie sich von irgendjemandem
gegen ihren Willen von irgendwo vertreiben lassen.
    »Dann eben
mit
deinem Willen«, sagte Marcel an einem nebligen Montagmorgen Ende Oktober. Sie standen mit bunten Ohropaxkegeln in den Ohren im Schlafanzug an der Küchentheke, tranken Kaffee, aßen Kekse, weil Louise am Samstag vergessen hatte einzukaufen. Im Radio lief SWR 3 , im Treppenhaus knurrte eine Bohrmaschine in tiefem Bass, der für diesen Tag Schlimmstes befürchten ließ.
    Louise schüttelte den Kopf. »Quatsch.«
    »Wenn diese fleißigen, fröhlichen Landsleute aus dem verlorenen Osten erst mal richtig loslegen ... das Dach abtragen, das Treppenhaus rausreißen ...«
    »Ich fand das Treppenhaus schon immer hässlich.«
    »... ein Loch in deine Wohnzimmerwand brechen, damit du überhaupt noch in deine Wohnung kommst.«
    »Kann doch auch ganz praktisch sein.«
    Marcel hob die Brauen.
    »Ich hatte nicht vor auszuziehen, also ziehe ich auch nicht aus, Marcel.«
    »Am Ende wirst du noch krank, Liebes.«
    Marcel, der Besorgte. Der sich Kümmernde. Hin und wieder für eine Nacht war Kümmern akzeptabel, fand sie. Spätestens wenn die Oberschlesier morgens durchs Fenster grüßten und Marcel »Mein Gott, du musst hier endlich
raus
« murmelte, fand sie ihn ein wenig überflüssig.
    »Wo kommt das Loch eigentlich hin?« Er zeigte mit dem Finger auf das Regal mit der Stereoanlage und den CDs. »Da?«
    »Keine Ahnung. Wolltest du nicht gehen?«
    Marcel lächelte. »Ich würde mich vorher gern noch anziehen, Liebes.«
    Das Schöne an Marcel war, dass er unendlich viel Ruhe und Gemütlichkeit in sich trug. Was er auch tat oder sagte, er tat oder sagte es mit der

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