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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sagte er sich voller Vorfreude. Sie wird nach Minos segeln und nach Mykene, an die nördliche Küste von Afrika. Meine Schöne wird Öl und Wein mit sich führen, Elfenbein und Korn. In jedem Hafen der Welt wird man sie willkommen heißen, und wenn sie auf den Wellen des Meers unter vollen Segeln dahinfliegt, wird sie allen die Tränen in die Augen treiben.
    Er trat vom Großbaum zurück und musterte das neue Schiff von vorn bis hinten, das spiegelblanke Deck, die perfekt ausgerichteten Ruder, die zusammengerollten Segel aus Flachsgewebe. Und spürte …
    Er runzelte die Stirn. Da war es wieder. Diese unbestimmte Rastlosigkeit, die ihn in letzter Zeit überkam.
    Er spähte über die schimmernde Wasserfläche im Hafen, atmete die Seeluft ein, genoss die angenehm wärmende Sonne auf seinem Rücken – und verspürte dennoch wieder diesen eigenartigen Hunger. Wann das begonnen hatte, konnte er nicht sagen, nur, dass dieser Hunger immer größer wurde. Und jetzt hatte er das Gefühl, als würden Schiffe allein ihn nicht ausreichend befriedigen.
    Wonach es ihn hungerte? Nach einer Frau jedenfalls nicht. Da Jotham inzwischen einer der reichsten Männer in Kanaan war, konnte er jede Frau haben, die er wollte. Und da sie so leicht zu haben waren – wie viele Mütter ihm ihre unverheirateten Töchter andienten! –, hatte sich sein Liebesleben erschöpft. Leah, die Tochter von Elias, war die Letzte gewesen, die er wirklich begehrt hatte, aber seit sie einen Verwandten namens Caleb geheiratet hatte, war Jothams Interesse an ihr – und wie es schien, an Frauen allgemein – versiegt.
    Er kratzte sich unter der Achsel, und während er noch überlegte, ob dieses unbestimmte Gefühl Langeweile sein könnte, sah er einen seiner Spitzel, bekleidet mit einem Lederrock unter einem braun-schwarz gestreiften Umhang, über den Landungssteg auf sein neues Schiff zukommen – derselbe Mann, den Jotham beauftragt hatte, Erkundigungen über Elias’ Verwandten Caleb einzuholen, als der gekommen war, um Leah zu heiraten. Der Spitzel hatte damals keine interessanten Neuigkeiten geliefert. Als dieser Narr Caleb dann mit Leahs Schwester Tamar durchgebrannt war, hatte Jotham die weitere Verfolgung der Angelegenheit eingestellt und seinen Späher mit einer dringlicheren Aufgabe betraut: die mysteriösen Hatti im Norden zu bespitzeln.
    Jotham hob die Hand, um dem Mann Einhalt zu gebieten. Wie alle, die zur See fuhren, war Jotham sehr abergläubisch. Niemand durfte an Bord, ehe die Edrea nicht getauft war, Priester nicht ihre Zaubersprüche angebracht und sich das Großsegel nicht mit dem Atem der Götter selbst gebläht hatte.
    »Shalaam
und Segen, Herr«, rief der Mann.
    Jotham betrat die Schiffsplanke zum Kai. Als er ahnte, was in dem Paket, das der Mann bei sich trug, sein konnte, war sein Interesse geweckt. »
Shalaam
und Segen, mein Freund, die Götter sind mit uns. Hast du mir etwas mitgebracht?«
    »Gewiss, Herr. Aber ich muss es dir im Geheimen zeigen.«
    Sie zogen sich in den zurückgesetzten Eingang eines Lagerhauses zurück, das Jotham gehörte. Nachdem der Spitzel sich überzeugt hatte, dass niemand sie beobachtete, löste er die Schnur von dem Paket und streifte den Stoff ab, mit dem es umhüllt war.
    Jothams Augen traten ihm schier aus den Höhlen.
»Halla!«
, stieß er leise aus. »Rufe die Götter an, mein Freund! Es stimmt also, was man sich erzählt?«
    »So ist es, Herr«, bestätigte der Ermittler. »Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um dies hier aus Hatti herauszuschmuggeln. Hat mich außerdem sämtliche Kupferringe gekostet, die ich besaß.«
    Jotham nahm dem Kundschafter das schwarze Metallmesser aus der Hand, staunte über diesen greifbaren Beweis für ein regelrechtes Wunder.
    Seit einigen Jahren waren Gerüchte in Umlauf, denen zufolge es in den nördlichen Bergen versteckte Schmieden gab, in denen nach einem geheim gehaltenen Verfahren Waffen hergestellt wurden. Dem Vernehmen nach waren sie aus Eisen. Wo doch jeder wusste, dass Eisen nur als Gewicht zu verwenden war! Und dennoch hielt Jotham jetzt eine aus Eisenerz geschmiedete Waffe in der Hand! Wie war das möglich?
    »Das Geheimnis, Herr, ist Hitze. Das Eisenerz wird in riesigen Steinöfen derart hohen Temperaturen ausgesetzt, dass sich das Metall vom Erz scheidet. Das Eisen wird flüssig, und diese Flüssigkeit wird dann in Formen gegossen und mit Hammerschlägen in die gewünschte Form gebracht. Ob das nun ein Schwert ist oder ein Dolch oder Speer- und

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