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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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David nicht. Du liebst ihn. Aber du bist ihm nicht verpflichtet. Du bist noch immer mit Caleb verheiratet, und für dich muss deine Familie Vorrang haben. Es tut mir leid, liebes Kind, dass du diese Bürde bislang allein getragen hast. Bring das Heilmittel gegen die Fallsucht in Erfahrung. Frag Tante Rakel so lange, bis sie es dir verrät, und dann übergebe ich es Zira persönlich, als Friedensangebot.«
    »Ach, Großmutter, ich bin völlig durcheinander!« Leah brach in Tränen aus und warf sich ihr in die Arme.
    Während Avigail ihre Enkeltochter tröstete und darüber nachdachte, wie kompliziert und ungerecht das Leben doch sein konnte, wurde ihr klar, dass sie sich die ganze Zeit über eingebildet hatte, alles im Griff zu haben, in Wirklichkeit aber keine Rede davon sein konnte!
    Der Hausverwalter betrat den Garten. Da zusehends immer mehr Sklaven verkauft und Diener entlassen wurden, kam er den ihm zusätzlich auferlegten Pflichten von Tag zu Tag missmutiger nach. »Herrin, da ist jemand, der dich sprechen möchte.«
    »Wer denn?« Etwa Jotham mit weiteren unverschämten Forderungen? Oder Zira, um sich am Unglück der Familie zu weiden? Ein Unbekannter aus einer anderen Stadt, der es leid war, immer wieder Zahlungsaufforderungen zu verschicken?
    »Es ist die mittlere Tochter des Hauses, Herrin, Tamar Bat Elias.«
     
    Nach dem Verschwinden von Tamar und Caleb hatte Avigail überall behauptet, Elias habe seinen Schwiegersohn auf eine Geschäftsreise geschickt, während ihre mittlere Tochter auf dem Weg nach Jericho sei, um dort einen Verwandten zu heiraten. Dass man ihr nicht glaubte, kümmerte sie nicht. Man erwartete von ihr, die Form zu wahren.
    Als sie nun in heller Aufregung durch das Haus hastete – Tamar war zurück! –, überlegte sie, was sie den Leuten jetzt erzählen sollte!
    »Hallo, Großmutter«, sagte Tamar leise, als Avigail die Empfangshalle betrat. Für die Heimreise hatte Tamar mit Bedacht schlichte Kleidung gewählt, die ihre zur Schau getragene Bescheidenheit und Demut unterstrich – ein knöchellanges Gewand in Dunkelbraun mit einer locker gebundenen Schärpe unterhalb des Busens, einen beigefarbenen, an der Taille geschlossenen Umhang sowie einen hellbraunen Schleier ohne jegliche Verzierung. Als einzigen Schmuck trug sie eine Halskette aus Kupfer und ein aus Hanf geknüpftes Armband.
    »Wo ist Caleb?«, fragte Avigail ohne Umschweife.
    »Ich bin ihm entwischt, Großmutter, sobald sich mir die Gelegenheit dazu bot. Er hatte mich gezwungen, mit ihm zu gehen.« Diese Geschichte hatte sie auf dem Weg eingeübt. Besser nicht zu erwähnen, dass er nach Minos gesegelt war. Lass ihnen die Hoffnung, dass er wiederkommt.
    Avigail hob eine Hand. »Sei still. Ich glaube dir sowieso nicht. Du bist nicht mehr meine Enkelin, und dieses Haus ist nicht länger dein Zuhause. Geh und komm nicht wieder.«
    Aber anstatt kehrtzumachen, öffnete Tamar ihren Reiseumhang. Als Avigail den geschwollenen Leib sah, entrang sich ihr ein
»Halla
! Asherah steh uns bei!«.
    Ehebrecherin, war ihr erster Gedanke. Und der zweite: Elias’ Enkel.
Und mein erster Urenkel
. Saloma kam zwar in drei Monaten nieder, aber es war nicht auszuschließen, dass sie ein Mädchen bekam. Wenn dagegen Tamars Kind ein Junge ist …
    Hoffnung keimte in Avigail auf. War dies ein Zeichen der Götter, dass sich alles zum Guten wendete? Ein Enkel für Elias. Man würde vorbeikommen und gratulieren, ihm Geschenke bringen, alles Gute wünschen, Freundschaften ließen sich neu besiegeln, ehemalige Kunden könnten feststellen, dass jetzt, da bei Elias wieder das Glück eingezogen war, seine Weine wohl doch recht gut waren. So viel Freude würde in diesem Hause herrschen, dass sie allmählich wieder zu dem Leben wie vor jenem unseligen Abend vor zwei Jahren zurückfinden würden.
    Avigail presste die Hände so fest zusammen, dass ihre Finger schmerzten. Früher, als alles in der Familie aufs Beste bestellt war, hätte sie diese Entscheidung nicht treffen müssen – Tamar wäre ohne Umschweife des Hauses verwiesen worden. Jetzt lag die Situation völlig anders. Die Götter erfüllen unsere Gebete auf höchst unerwartete Weise, befand sie. »Also gut«, sagte sie, »du kannst bleiben.« Würde man ihr glauben, wenn sie allen erzählte, Tamars Ehemann sei bedauerlicherweise gestorben, worauf Caleb in Erfüllung seiner Pflicht der Familie gegenüber die junge Witwe als Konkubine unter seinen Schutz gestellt und geschwängert habe, ehe er Piraten

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