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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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schleuderte Tamar auf den mit Steinen gepflasterten Weg. Auf Händen und Knien landend, blickte sie zu ihm auf.
    »Geh mir aus den Augen!«, brüllte Elias. Tränen der Wut standen in seinen Augen. »Du hast Schande genug über uns gebracht. Es reicht!«
    Die ganze Nacht über und während sie dumpf vor sich hin brüteten, mussten sie sich anhören, wie Tamar draußen vor den Mauern um Einlass und um ihr Baby flehte. Elias ließ sich nicht erweichen, sondern bestimmte Leah zur Mutter des Kindes. In jedem Raum entzündete er Weihrauch, bis allen vom vielen Qualm die Augen brannten. Er betete zu Dagon und Baal und rief den Namen jedes Gottes an, der ihm in den Sinn kam. Er bestellte David ins Haus und diktierte ihm ein Dokument, mit dem er seine Tochter Tamar für tot erklärte. In einem weiteren hielt er fest, dass das Kind das von Leah war. David nahm jedes der mit so viel Verbitterung ausgesprochenen Worte zu Protokoll. Als er fertig war, schickte er ein stummes Gebet zu Shubat.
    Auf diesem Haus lag ein Fluch. Es war dem Untergang geweiht. Und er sah sich außerstande, die Familie zu retten.
    Am Morgen war nichts mehr aus dem Vorgarten zu hören. Als Leah nachschauen ging, war Tamar verschwunden.
    Trotz der Anordnung des Vaters, »der Hure« den Zutritt zum Hause zu verwehren, ihr weder Essen zukommen zu lassen noch Unterkunft zu gewähren und ihren Namen nie wieder zu erwähnen, begab sich Leah auf die Suche nach der Schwester und entdeckte sie schließlich zusammengekauert im Olivenhain von Baruchs Vater.
    »Bitte überrede Vater, mich wieder aufzunehmen«, flehte Tamar. »Sag ihm, dass es mir leidtut.« Sie war schmutzig, in ihrem langen Haar hatten sich Blätter verfangen, Tränenspuren zogen sich über ihr Gesicht. »Asherah ist meine Zeugin. Ich kann es nicht ertragen, von meinem kleinen Sohn getrennt zu sein.«
    »Ich komme heute Abend wieder«, sagte Leah mitfühlend, »und bringe dir etwas zu essen, Kleidung und was immer an Kupferringen ich auftreiben kann. Aber Vater tobt vor Zorn und wird nicht zulassen, dass du dein Kind wiedersiehst.«
    Als in dieser Nacht der Mond aufging, irrte eine verzweifelte Tamar hungrig und durstig zwischen den gespenstisch fahlen Bäumen herum, schürfte sich an tiefhängenden Ästen das Gesicht auf. »Baruch, mein Liebster, bist du hier? Wo denn? Das Baby ist deins, Baruch. Er ist unser Sohn. All diese Männer …« Ihre Stimme wurde brüchig. »Sie haben mir nichts bedeutet. Als sie auf mir lagen und ihr dreckiges Geschäft verrichteten, habe ich nur an dich gedacht. Das Baby ist unser Kind. Unserer Liebe entsprungen. Ach, Baruch, wo bist du nur?«
    Sie sah zum Mond hinauf und erblickte Baruchs Gesicht. Das Gesicht ihres Liebsten. Sie hatten sich ewige Treue geschworen. Und dann war er fortgegangen. Ihr Herz pochte wie wild, verkrampfte sich dann schmerzhaft. »Ich ertrage das nicht länger!«, schrie sie zu den kalten Sternen empor.
    Schluchzend zerrte sie sich ihr Nachthemd über den Kopf, warf es zu Boden. Sie sank auf die Knie, umklammerte den Stoff, spürte die Säume, brach sich die Fingernägel ab, als sie entlang der Stiche, mit denen die einzelnen Teile zusammengenäht waren, zu reißen anfing. Sie nahm die Zähne zu Hilfe, um das feine Wollgewebe zu zerfetzen, zerrte Fäden auseinander, durchweichte alles mit ihrem Speichel und ihren Tränen und rief immer wieder Baruchs Namen.
    »Ich werde nie einen anderen so lieben wie dich!«, rief sie und rupfte so lange an dem Stoff herum, bis er sich in einzelne Streifen auflöste. Sie spürte nicht die Kieselsteine unter ihren Knien, die Zweige, die sie zerkratzten. Mondlicht fiel auf ihre nackte Haut, ihr Nachthemd war nur noch ein Häufchen zerfetzter Streifen. Zitternd versuchte sie, sie wieder zusammenzufügen, das mit ihren Tränen durchfeuchtete feine Wollgewebe zu verknoten.
    »Warum hast du mich verlassen, Baruch? Ich habe dir mein Herz geschenkt. Du hast es mir gebrochen. Du hast mich getötet.«
    Mit zerschundenen Fingern knotete sie Streifen um Streifen zusammen, bis sie ein langes Seil ergaben. »Baruch! Baruch!«, rief sie und sprang auf, suchte in den Ästen über ihr, ob er sich vielleicht dort verbarg. Sie warf die miteinander verknoteten Streifen über einen kräftigen Ast und schaute sich dann wie gehetzt nach einem Trittstein um. Unweit entdeckte sie einen kleinen Felsblock, den sie nicht ganz bis unter den Ast rollte, dann band sie die beiden Enden des Seils zusammen, verknotete sie zu einer

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