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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Schlinge.
    »Die Götter werden uns eines Tages wieder vereinen«, schluchzte sie, als sie auf den Felsblock stieg und sich die Schlinge über den Kopf zog. »Ach, Baruch. Mein Geliebter.«
    Sie schloss die Augen und beugte sich so weit vor, dass sie nur noch mit den Zehen auf dem Felsblock stand und ihr Gewicht jetzt von der Schlinge abgestützt wurde. »Asherah steh mir bei«, schluchzte sie und schob den Felsbrocken unter sich weg. Ihr Körper pendelte in den freien Raum. Sie hörte, wie der Ast ächzte. Die Schlinge um ihren Hals zog sich zu. Und dann …
    Mein kleiner Junge!
    Nein! Ich möchte nicht sterben!
    Was habe ich getan? Asherah!
    Sie griff sich an die Kehle, versuchte mit den Beinen den Felsbrocken zu ertasten. Wo war er?
    Lass mich nicht sterben! Ich will leben! Ich will mein Kind!
    Ihre Zehenspitzen berührten den Stein. Sie versuchte erneut, Halt zu finden, rutschte immer wieder ab. Sie zerrte an der Schlinge, kratzte sich dabei den Hals blutig. Am Ende des Seil hängend, rang sie nach Luft. Vergeblich.
    Asherah … Ich möchte meinen Sohn heranwachsen sehen … Ich wollte das doch gar nicht … Hilfe … So hilf mir doch jemand …
     
    Als Leah am darauffolgenden Morgen in den Olivenhain kam, um Tamar etwas zu essen zu bringen, sah sie die Schwester kalt und tot an einem Baum hängen. Ohne zu wissen, dass dies derselbe Baum war, unter dem sich Baruch und Tamar in einer Frühlingsnacht geliebt hatten, hetzte sie zum Haus zurück, um Hilfe zu holen.
    Nach sieben Tagen der Trauer verkündete Avigail, das Neugeborene in den Armen, der versammelten Familie: »Da Tamar am Abend vor ihrem Tod nicht bei Verstand war und nicht wusste, was sie sagte, werden wir nie wieder ein Wort darüber verlieren, was sie damals geäußert hat. Stattdessen werden wir täglich für sie beten und die Götter bitten, ihre Seele bei sich aufzunehmen und sie zu beschützen. Dieses Kind ist Calebs Sohn, ein Sohn des Hauses Elias. Durch ihn geben uns die Götter zu verstehen, dass sie uns nicht verlassen haben und dass wir niemals die Hoffnung aufgeben dürfen. In ihrer Weisheit haben sie meine Enkelin zu sich genommen und mir dafür einen Urenkel hinterlassen. Um uns an ihre Gerechtigkeit und ihr Mitgefühl zu erinnern. Wir werden das Kind Baruch nennen, wie Tamar es sich gewünscht hätte. Es wird von nun an und immerdar das leuchtende Licht in unserem Hause sein.«

    Weil Elias erklärt hatte, das Kind sei von Caleb, und weil ein Sohn nur von Familienmitgliedern aufgezogen werden durfte, konnte Leah im Falle einer Wiederverheiratung nur mit einem Blutsverwandten die Ehe eingehen. Sie war jetzt eine »Em« und somit für David unerreichbar.
    »Geh ins Haus des Goldes, David«, sagte sie. »Hier hält dich doch nichts mehr.«
    »Außer meine Liebe zu dir«, sagte er traurig, weil ihm bewusst war, dass sie von nun an tatsächlich getrennte Wege gehen und sich vielleicht niemals wiedersehen würden.
    »Ich habe ein Geschenk für dich.« Damit überreichte er ihr eine Tontafel. »Bei meiner Suche nach Unterlagen über die Fallsucht bin ich im Archiv auf diese Tafel gestoßen, die so alt ist, dass niemand die einzelnen Zeichen deuten kann. Immerhin ist es mir gelungen, ein Wort zu entziffern: Baldrian. Erwähne deiner Tante gegenüber doch mal Baldrian oder zeige ihr die Pflanze; vielleicht erinnert sie sich dann wieder an die übrigen Ingredienzien dieses Heilmittels.«
    »Aber die Bruderschaft, David. Wenn es mir gelingt, Yehuda gesund zu machen …«
    »Leah, wenn jemand sehr krank ist und ich weiß, was man dagegen tun kann, dieses Wissen aber für mich behalte, bin ich nicht besser als meine vom Wege abgekommenen Brüder oder Yehuda. Auf Kosten eines anderen möchte ich nicht Rab werden. Forsche also weiter nach dem Heilmittel, Leah, und rette deine Familie. Sollte dies zur Folge haben, dass ich nicht der nächste Rab werde, werde ich Mittel und Wege finden, die Bruderschaft auf andere Weise zur Rechtschaffenheit zurückzuführen. Alles liegt in Shubats Hand.«
    Sie streifte sich ein Amulett über den Kopf und hängte es ihm so um, dass der rosa Stein der Asherah, von dem der Händler beim Tempel gesagt hatte, ihm wohne die Macht der Göttin inne, auf seiner Brust zu liegen kam. »Asherah wird dich beschützen«, flüsterte sie, »denn ich befürchte, dass dir Dunkelheit und Gefahren drohen.«
    Er umfasste ihr Gesicht. »Unser Schicksal, geliebte Leah, liegt nicht in unserer Hand, sondern in der der Götter. Wir können

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