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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verraten, Großmutter, aber sie schweift ständig ab«, sagte Leah enttäuscht. »Sobald ich nachhake, spricht sie von einer ganz anderen Rezeptur! Ich kenne mich schon gar nicht mehr aus!«
    Mit geschürzten Lippen dachte Avigail angestrengt nach. Jetzt, so kurz vor der Lösung ihrer Probleme, war ein kühler Kopf gefragt. »Sprich weiter mit ihr«, sagte sie schließlich. »Wir dürfen uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich werde David rufen, damit er alles aufschreibt, was Rakel sagt.«
    »Das geht nicht, Großmutter«, entgegnete Leah. »David bereitet sich auf den Aufgang des Morgensterns vor, den Zeitpunkt, zu dem der neue Rab ernannt werden soll. Er betet und fastet und widmet sich seinem Gott. Es wäre unangebracht, ja sogar ein Sakrileg, ihn davon abzuhalten. Ich werde mir gut einprägen, was Tante Rakel äußert.«

    »David!« Leah, die an Rakels Bett saß, schaute überrascht auf. »Was führt dich denn hierher?«
    »Man sagte mir, du hättest nach mir geschickt.«
    »Das habe ich nicht. Ich weiß doch um deine Vorbereitung auf …« Sie unterbrach sich. »Das muss Großmutter gewesen sein«, sagte sie dann. »Obwohl ich ihr deutlich gesagt habe, dass wir dich nicht stören dürfen.«
    Den Blick auf die im Bett liegende Frau gerichtet, kam er näher. »Was ist denn so dringend?«
    Leah berichtete, was am Vormittag vorgefallen war, insbesondere, dass Rakel das Rezept für das Heilmittel gegen die Fallsucht zwar verraten hatte, aber derart konfus und in Verbindung mit anderen Heilmitteln, dass Leah keine Gewissheit hatte, wie genau die Zusammensetzung lautete. »Großmutter meinte, wir sollten dich rufen, um alles aufzuzeichnen. Aber dann erklärte die Tante, sie sei müde und wolle sich hinlegen.«
    Als David sah, wie flach Rakels Atem ging, wie blass sie war und wie ausdruckslos ihre Augen blickten, sagte er: »Ihr hättet mich früher rufen sollen. Jetzt könnte es zu spät sein.«
    Aber er hatte seinen Kasten und alles Erforderliche mitgebracht und traf rasch die nötigen Vorbereitungen, um ein Diktat aufzunehmen. »Nobu ist mitgekommen. Er wartet unten. Ich werde ihn zurück zur Bruderschaft schicken, damit er dort auf mich wartet.«
     
    Die Hände zu einer Schale gewölbt, beugte sich Nobu leise stöhnend vor, um Wasser vom Springbrunnen aufzufangen. Hundeelend fühlte er sich. Völlig ausgetrocknet. Geräuschvoll schlürfte er die erste Handvoll, streckte dann erneut die Hände dem Wasser entgegen.
    »Du Narr, das ist die Quittung dafür, dass du versuchst, uns mundtot zu machen. Aber mit Wein ist das nicht zu schaffen. Was wir zu sagen haben, werden wir sagen.«
    »Lasst mich in Ruhe, ich bitte euch«, murmelte er, von der Morgensonne im Garten geblendet. Die Nachwirkungen auf seinen Weinkonsum wurden immer schlimmer. Er hätte gern dem Alkohol entsagt, aber dann würden die Götterstimmen Tag und Nacht in seinem Schädel herumspuken.
    »Geht es dir gut?«
    »Lasst mich in Ruhe, hab ich gesagt!« Aber dann merkte er, dass die Stimme von einem jungen Mädchen kam, genauer gesagt von Esther, Elias’ jüngster Tochter. »Bitte verzeih mir. Meine ruppige Aufforderung galt den Dämonen in meinem Kopf.«
    Beim Näherkommen raschelte ihr das lange Kleid um die Beine. Ein blumiger Duft umwehte sie. Sie hielt sich den Schleier vor ihren entstellten Mund, aber trotz seiner Kopfschmerzen und seiner Magenbeschwerden entging Nobu nicht, dass das Mädchen wunderschöne Augen hatte. »Fühlst du dich nicht wohl?«, fragte sie. »Deine Gesichtsfarbe ist so eigenartig.«
    Sie nahm auf der Marmorbank Platz, neben Nobu, dessen Kleidung von dem Wasser, das ihm durch die Finger gelaufen war, einiges abbekommen hatte. »Das ist nur, weil ich gestern Abend zu viel Wein getrunken habe. Es wäre schön, wenn ich es fertigbrächte, nie wieder auch nur einen Schluck zu trinken, aber ich schaff es einfach nicht!«
    »Wieso nicht?«, fragte sie verwundert.
    Spontan erzählte er ihr von den Götterstimmen, die ihn seit seiner Kindheit quälten. »Bislang hat Wein sie ruhiggestellt, aber seit einiger Zeit klappt das nur, wenn ich wesentlich mehr als sonst trinke, und dann fühle ich mich am nächsten Tag schrecklich.«
    »Aber warum wehrst du dich gegen deine eigenen Gedanken?«
    »Wie? Meine Gedanken? Nein, nein. Es sind Dämonen, die mich Tag und Nacht bedrängen. Oder boshafte Götter, Shubat beschütze mich!«
    »Armer Nobu. Weißt du denn nicht, dass das, was du hörst, deine eigenen Gedanken sind? Ich höre

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