Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
und der Schweiß von acht Generationen vor ihm hatten diesen Boden getränkt. In diesem Haus war er geboren worden, hier hatte er seine Kindheit und seine Jugend verlebt. Er hatte Hannah hierhergebracht, seine Töchter hatten hier das Licht der Welt erblickt und jetzt auch sein Enkel Baruch.
Als er seine Mutter auf sich zukommen sah, drückte er die Schultern durch und gab sich zuversichtlich. »Mutter! Schön, dass du hier bist. Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen. Der Mann aus Ebla hat sich zwar gegen eine Übernahme entschieden, aber deshalb geben wir uns noch nicht geschlagen! So weit wird es nicht kommen! Ich habe nämlich eine wichtige Entscheidung getroffen. Wie du weißt, habe ich es bislang abgelehnt, bei der königlichen Schatzkasse um ein Darlehen nachzusuchen. Jetzt aber werde ich morgen früh als Erstes zur Bank im Haus des Goldes gehen und einen Kredit beantragen.«
Er verscheuchte eine Biene vor seinem Gesicht, räusperte sich. »Ich werde«, fuhr er fort, »in einen Betrieb investieren, den Freunde und ich am Rande der Stadt errichten wollen.«
Sie verengte die Augen zu Schlitzen. »Was für ein Betrieb?«
»Ein Betrieb, in dem eine neue Art von Waffen hergestellt wird.«
»Halla!«
Avigail hob die Hände, presste sie an ihren Busen.
»Mutter, Ugarit kann nicht die Augen verschließen vor den Wolken, die sich im Süden zusammenbrauen. Wenn Hatschepsut stirbt, wird ihr Neffe die Herrschaft an sich reißen, und es heißt, er habe vor, wieder Anspruch auf die Landstriche zu erheben, die sein Großvater einst erobert hat. Eine Handvoll Männer mit Weitblick, ich eingeschlossen, wissen, dass wir darauf vorbereitet sein müssen. Die Hattier in den nördlichen Bergen haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Eisenerz in das widerstandsfähigste Metall überhaupt umwandeln lässt. Daraus schmieden sie Schwerter, die denen aus Kupfer und Bronze weit überlegen sind. Wir müssen es ihnen gleichtun. Die Welt verändert sich, Mutter, wir dürfen uns dem nicht verschließen. Wenn Ägypten in Kanaan einfällt, müssen wir gewappnet sein.«
Als er sah, wie erschrocken sie war, fügte er beschwichtigend hinzu: »Schau, es gibt genug Winzer. Ich möchte mit der Zeit gehen. Wenn es zutrifft, dass die Hattier dem Krieg ein ganz neues Gesicht geben, dann müssen wir an dieser Revolution teilhaben.«
»Dieses Gerede von Krieg gefällt mir ganz und gar nicht.«
Herandonnernde Streitwagen, Männer hoch zu Ross, Fackeln, die die Nacht erhellen, Kanaaniterblut, das in den Sand sickert …
»Wir profitieren davon, Mutter. Du wirst schon sehen. Ich werde der Bank den Weinberg und die Weinkellerei als Sicherheit überlassen und das Darlehen, das man mir dafür gewährt, in den neuen Betrieb stecken. Die Schwerter und Messer und Schilde, die man dort herstellt, werden reißenden Absatz finden. Dann sind wir reich, Mutter.«
Avigail rang die Hände. »Ach, Sohn, doch nicht auf diese Art …«
»Papa! Großmutter!«
Mit wehendem Haar kam Esther auf sie zugerannt.
»Halla,
Kind! Was ist denn in dich gefahren!«
»Großtante Rakel«, keuchte das Mädchen. »Sie hat Leah das Heilmittel gegen die Fallsucht verraten!«
Sie eilten ins Haus. »Tante Rakel«, sagte Leah gerade, »bitte sprich etwas langsamer. Sind es vier Einheiten der Kuchenmischung auf eine Einheit Molochs Traum oder umgekehrt? Du hast das jetzt mehrmals so und dann wieder andersherum gesagt.«
Flickarbeiten und Spindel waren vergessen; alle lauschten mit gespannter Aufmerksamkeit, waren von einem einzigen Gedanken beseelt – Zira wird sich erkenntlich zeigen. Und für jeden lag eine andere Hoffnung in dieser Idee. Esther: Wir werden genug Geld haben, um einen Ehemann für mich zu kaufen. Saloma: Mein Kind wird in die allerschönsten Decken gewickelt werden. Hannah: Wir können einen guten Ehemann für Esther kaufen. Avigail: Dann brauchen wir die Weinkellerei doch nicht zu veräußern, und mein Sohn wird keine Pläne mehr machen, Kriegswaffen herzustellen!
Nur Leah befand sich in einem Zwiespalt: Wenn Yehuda geheilt wurde, würde David keinesfalls zum neuen Rab ernannt werden.
»Also wie stellt man nun das Heilmittel her?« Avigail ließ nicht locker und rieb sich bereits in Erwartung ihres Besuchs bei Zira die Hände. Soll ich ihr das Rezept sofort verraten oder erst eine Gegenleistung verlangen? Wie verhalte ich mich am geschicktesten? Sollte ich darauf bestehen, dass Jotham bei dem Gespräch zugegen ist?
»Sie hat es wohl schon
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