Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
das können wir uns nicht leisten.«
Selten genug erhob Elias die Stimme gegen seine Mutter, aber jetzt tat er es. »Die Götter sind meine Zeugen! Die erste Hochzeit, die ich als Vater ausrichte, wird keine armselige Feier sein! Davon wird mich Jotham nicht abhalten! Bei Tamar können wir bescheidener sein. Aber meine älteste Tochter soll ein Hochzeitsfest erleben, das ganz Ugarit in Erinnerung bleiben wird!«
»Wie kann es ›ganz Ugarit‹ in Erinnerung bleiben, wenn höchstwahrscheinlich überhaupt niemand kommt? Ach, Elias, mein Sohn, ich würde dir ja gern beipflichten, aber wegen dieses grauenhaften Jotham schrumpft das Vermögen der Familie zusehends. Jetzt verlierst du auch noch Kunden, die neuerdings lieber sauren Wein trinken, nur um Jotham nicht zu vergrätzen.«
»Mein Entschluss steht fest, Mutter. Ich lasse mich nicht davon abbringen. Meine Tochter wird die Hochzeit bekommen, die sie verdient.«
Avigail wusste, dass er das mehr für Hannah tat als für Leah und deshalb nicht umzustimmen war. »Na gut«, seufzte sie. »Schon weil danach nur noch eine Hochzeit ansteht. Da Esther mit ihrem entstellten Gesicht nie heiraten wird, können wir Tamars Feier bescheidener gestalten. Sofern wir dann noch ein Haus haben, in dem wir sie abhalten können.«
David und Nobu standen vor dem ersten Haus auf der Liste der in Frage kommenden Bürgen. David hatte seine besten Gewänder aus roter und blauer Wolle und goldenen Fransen angelegt, dazu trug er einen mit Silber beschlagenen breiten Gürtel. Nobu war schlichter, wenn auch eindeutig als höhergestellter Sklave erkennbar gekleidet. Zwei Taschen baumelten an seiner Schulter: Die eine enthielt die kleine Shubat-Statue, die andere die Pfandscheine, die David zu verteilen gedachte.
Der Besitzer dieses großen Hauses im nördlich gelegenen Stadtviertel unweit des königlichen Palastes war ungemein wohlhabend und einflussreich. Mit seiner Unterstützung wäre Davids Aufnahme in die Bruderschaft so gut wie sicher.
Während er darauf wartete, dass auf sein Läuten hin ein Verwalter erschien, bemerkte er das in den steinernen Torpfosten gravierte Wappen. Es wies den Bewohner als Hersteller und Vertreiber von kostspieligem Purpur zum Färben von Textilien aus. David war das Wappen bekannt; er hatte es auf einer der Tafeln gesehen, die mit einer Absage der Einladung zur Hochzeit bei Elias eingetroffen waren.
Unerwartet sah sich David in einem Gefühlskonflikt. Diese Leute gingen Elias aus dem Weg, bereiteten dadurch Leah viel Kummer. Es wäre somit alles andere als loyal, bei diesem Mann um Befürwortung und Bürgschaft nachzusuchen. Andererseits würde allein dessen Name David den Eintritt in die Bruderschaft sichern.
Noch vor vier Monaten, als er Lagasch verließ, hätten sein Selbstbewusstsein und seine Entschlossenheit nicht größer, seine Zukunftsplanung nicht durchdachter sein können. Jetzt jedoch erschien nicht nur seine Zukunft ungewiss, auch Selbstzweifel und ein Loyalitätskonflikt machten ihm zu schaffen. In diesem Haus hier um Fürsprache zu bitten kam eigentlich einem Verrat an Elias gleich. Und an Leah. Was sollte er tun?
Sie wurden von der Herrin des Hauses empfangen, einer molligen Frau namens Hadar, die ihnen sagte, ihr Ehemann halte sich in seinem Betrieb im Norden der Stadt auf. David kannte dieses übelriechende Gelände, auf dem sich, über dampfende Bottiche und Feuerstellen gebeugt, Sklaven abmühten, aus stacheligen Meeresmuscheln einen seltenen und entsprechend teuren purpurnen Farbstoff zu gewinnen. Die Sklaven wurden streng bewacht, um sicherzustellen, dass nichts von dem kostbaren Farbstoff nach draußen geschmuggelt wurde. Ein hartes Los und ein früher Tod.
»Shalaam
und der Segen der Götter, hohe Frau«, sagte David. »Ich bin gekommen, um deinen Ehemann um einen Gefallen zu bitten.« Er überreichte ihr eine Tafel, die Hadar interessiert betrachtete. Ihr Mann wetteiferte gegenwärtig mit Herstellern von Färbemitteln in Tyros und Sidon um das Handelsmonopol für Lagasch. Pfandscheine dieses jungen Mannes, von keinem Geringeren denn der königlichen Familie einzulösen, würden ihrem Mann einen Vorteil in diesem Konkurrenzkampf verschaffen.
»Um welche Gefälligkeit suchst du denn nach?«, fragte sie und nahm an, es handle sich um eine Unterkunft oder eine Empfehlung. Möglicherweise sogar um eine Stellung im Betrieb ihres Mannes. Alles leicht zu gewähren!
David dachte an die Bruderschaft, an das schöne Gebäude, in dem sie
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