Im Auge des Feuers
in der Dunkelheit verschwand.
Er zog die Tür wieder zu und setzte sich an den Küchentisch. Plötzlich bedauerte er zutiefst, dass er die Flasche Bourbon in seinem Zimmer bei Johan zurückgelassen hatte.
Es war merkwürdig. Er saß in einer kleinen, altmodischen Blockhütte am Lieblingsort seiner Kindheit, sah hinaus in die Finsternis und horchte auf den Wind und den Regen, der jetzt gegen das Fenster klatschte, während ihm lauwarmer Kaffee in den Hemdkragen rann. An der Wand hing eine einzelne Kugellampe, ein sparsames Licht in spartanischer Umgebung. Trotz allem verspürteKarl ein seltsam angenehmes Gefühl des Zur-Ruhe-Kommens. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er versucht, den verwässerten Begriff glücklich zu gebrauchen. Als sei ihm eine Last von den Schultern genommen worden.
Es war Mitternacht, als Karl Fjeld in dem breiten, bequemen Bett in seinem früheren Elternhaus erwachte. Er hatte nicht länger als etwa eine halbe Stunde geschlafen. Übelkeit quälte ihn und er streckte sich erneut nach dem Whiskeyglas, das er vor dem Schlafengehen geleert hatte.
Nachdem er von seinem eigenartigen Ausflug zur Hütte zurückgekehrt war, hatte er etwas in dieser Art gebraucht. Es hatte gut getan, sich wieder aufzuwärmen.
Jetzt schnitten heftige Magenschmerzen wie Messer durch Karls Leib, in seinem Mund brannte es und nur reine Willensstärke hielt ihn davon ab, aus voller Lunge zu schreien. Schweiß strömte über seine Schläfen, vermischte sich mit dem Speichel und schmeckte bitter wie der Kaffee, den er am Abend getrunken hatte. Er hatte die Bettdecke auf den Boden getreten, wand sich einige Minuten im Bett wie ein Aal, aber schaffte es schließlich nicht mehr, sich zu beruhigen.
Karl rollte aus dem Bett hinab auf den Boden, kroch zur Tür, wobei das Zimmer vor seinen Augen auf und ab schwankte.
»Johan!« Es klang wie ein Folterschrei. »Johan!« Karl richtete sich mühsam in Richtung Türklinke auf. Dann sank er mit wild hämmerndem Herzen wieder auf die Knie zurück. Er war nicht imstande, auch nur irgendwie zum Zimmer seines Bruders hinüberzugelangen.
»Hilf mir!« Es war jetzt eher ein Flüstern.
Johan kam nicht. Niemand kam.
Als Karl Fjelds Hilferufe schließlich erstarben, war im Haus noch immer kein Laut zu hören.
Kapitel 17
20. Oktober 2007
Die Nachricht kam am späten Vormittag gegen halb zwölf herein.
Wanderer meldet Fund einer toten Person am Fuß des Berges Tromsdalstinden. Ca. 1 km unterhalb der Rotkreuzhütte.
Eira hatte das Treffen mit den Feuerwehrleuten und Brandtechnikern beendet und sich gerade den Versicherungsbericht zum Brand von 1969 vorgenommen. Er wollte alle Details durchgehen, die Vernehmungsprotokolle genau studieren und versuchen, die Schlussfolgerungen von damals neu zu bewerten. Er wechselte den Telefonhörer zum anderen Ohr. »Noch mal, bitte.«
Die Meldung blieb die gleiche. Ein Bergsteiger im Rentenalter hatte angerufen. Er schien verstört. Unzusammenhängend hatte er berichtet, dass eine tote Person am Berghang liege. Wahrscheinlich ein Mann.
»Warum sagt er wahrscheinlich ?« Widerwillig schob Eira den alten Versicherungsbericht beiseite, wenig angetan von dieser Ablenkung. »Liegt die Leiche schon lange dort?«
»Da sind wir uns nicht sicher.«
Berger wurde hereingerufen und informiert. »Ach du meine Güte, Tiere?«
»Was weiß ich, Berger. Der Wanderer hat nur einen kurzen Blick auf die Leiche geworfen und ist zu seinem Auto gestürzt.« Eira zog seine Jacke an. »Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Und vergiss um Himmels willen nicht, dir vernünftiges Schuhwerk anzuziehen. Schuhe, die sich in null Komma nichts mit Wasser vollsaugen können, sind untersagt. Du weißt, was ich meine. Nasse Füße beeinträchtigen das Gehirn.«Die Straße, die taleinwärts führte, schlängelte sich durch ein Dickicht aus Moorbirken und Farnen. Zur Linken plätscherte der Fluss. Der Wasserstand war niedrig, die Steine wurden sanft überspült. Der Wagen folgte der Straße bis zu ihrem Ende. Eira parkte hinter dem Krankenwagen und lief mit Berger zu Fuß weiter.
Am Ufer blieb er stehen und ging in die Hocke. Er schöpfte mit einer Hand ein paar Schluck von dem frischen Flusswasser, wobei er den Blick hinauf zu den gewaltigen Felsen des Tinden schweifen ließ. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen, die Lichter der Stadt würden sich im nachtschwarzen Wasser des Sundes spiegeln.
Natur und Berge in unmittelbarer Nähe der Stadt zu haben entschädigte
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