Im Auge des Feuers
musste man ja schon schwachsinnig sein, wenn man nicht begriff, wer dahinterstand.« Sie bewegte sich noch einen Schritt näher auf Eira und Berger zu. Beide wichen irritiert zurück.
»Machen Sie, dass Sie hier rauskommen! Es bringt nichts, Ihnen etwas zu erzählen. Selbst wenn ich Ihnen den Namen buchstabieren würde, würden Sie es nicht kapieren!«
»Frau Andersen, wenn Sie Informationen haben …«
» Informationen? Wissen Sie, was ich habe? Ich habe verdammte Lust, Ihnen eine reinzuhauen! Machen Sie, dass Sie rauskommen, oder ich helfe nach!«
Eira hob beide Hände und verließ das Haus mit einem kurzen Kopfnicken.
»Du meine Güte, was für eine liebenswürdige und sympathische Frau«, brach es aus Berger heraus, als sie im Auto saßen. »Sverre Wikan hatte wahrscheinlich nicht ganz unrecht mit seiner Andeutung, dass Per wegen ihr zur Flasche gegriffen hat.«
Eira blickte aus dem Autofenster. »Wenn jemand mit fünfundsiebzig Jahren seine Impulse so schlecht unter Kontrolle hat, wie muss es da erst zugegangen sein, als Per noch ein Kind war.«
»Armer Kerl.« Berger starrte vor sich hin. »Glaubst du wirklich, dass sie etwas weiß, oder sind das alles nur Klatschgeschichten und Hirngespinste?«
»Ich weiß es nicht. Sie war ja wirklich nahe dran an den Fjelds. Magni hat dreißig Jahre lang jeden Tag deren Büros geputzt. Da hat sie wahrscheinlich eine Menge mehr mitbekommen, als denen bewusst war.«
Eira startete den Wagen. »Ich glaube, sie muss sich etwas beruhigen, das hier ein paar Tage sickern lassen. Wir werden sehen, ob bei den Ermittlungen etwas Konkreteres herauskommt. In diesem Fall würden wir sie zu einer offiziellen Vernehmung vorladen. Vorläufig warten wir ab.«
Kapitel 15
18. Oktober 2007
Die Wolkendecke hing tief über den Bergrücken, als Karl Fjeld gegen 12:30 Uhr über die Brücke zwischen Tromsøya und Kvaløya rollte. Er fuhr an dem stillgelegten Fährhafen vorbei und betrachtete die kleinen, dicht am Brückenkopf liegenden Bauernhöfe. Ein Gefühl von Nostalgie überkam ihn. Er blickte auf den Sandstrand und das Treibholz am Ufersaum. Ländliche Idylle nahe der Stadt, merkwürdig abrupte Übergänge.
Zwischendurch hielt er immer wieder an und verlor sich im Anblick eindrucksvoller Landschaftszüge, als seien es alte Fotografien, die man hervorgeholt und hier längs der Straße aufgehängt hatte. Zwischen einzelnen Neubaugebieten gab es Orte, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien: ein Kleinbauernhof mit einem Schuppen, dessen Dach mit Gras bewachsen war und wo im Sommer Weidenröschen blühten, eine windschiefe Scheune und ein Bootshaus am Strand.
Karl Fjeld war zurück, er fühlte sich wieder als Junge. Die Vergangenheit zog unmittelbar an seinen Augen vorüber, glasklar standen die Erinnerungen vor ihm.
Er stoppte das Auto in einer Busbucht und schaute aufs Meer hinaus. Auf der anderen Seite der Tromsøya stieg immer noch der Rauch aus dem Einkaufscenter am Kai. Bei diesem Anblick konnte Karl einen Anflug von Zufriedenheit nicht unterdrücken. Er hoffte nur, dass es wirklich bis auf die Grundmauern niederbrennen würde, bevor sie es löschen konnten. Keiner wusste besser als er, dass Feuer ein mächtiges Element war, dem der Mensch wenig entgegensetzen konnte.
Er würde diesen Tag nie vergessen, den 14. Mai 1969. Die erste Zeit danach war berauschend gewesen. Der Brand hatte alles in Ordnung gebracht, hatte für mehrere Tage vollkommenes Chaos geschaffen und ihm genau den Fluchtweg eröffnet, den er brauchte.
Noch bevor sie den Brand unter Kontrolle gebracht hatten, war er in Schweden angelangt gewesen, und er hatte bereits auf einem kanadischen Frachter angeheuert, als sie das, was sie für seine sterblichen Überreste gehalten hatten, aus der Asche klaubten. Ein schlechtes Gewissen hatte Karl dabei nicht gehabt. In dem Leben, das er hier verlassen hatte, war einfach zu vieles in eine Schieflage geraten.
Karl startete den Wagen erneut und fuhr nachdenklich weiter. Bei Hella steuerte er an den alten Arbeiterhäusern vorbei, die aus der Stadt hierhergebracht worden waren. Sicher ein lobenswertes Denkmalschutzprojekt. Aber er hatte die ganzen Jahre die Berichterstattung in den Zeitungen verfolgt und wusste, dass es finanziell kein Erfolg war, denn Geld für die Instandhaltung gab es nicht.
Johan hatte nicht eingehender nachgefragt, sondern seinen Bruder bloß loswerden wollen. Es war offensichtlich, dass Johan es gänzlich aufgegeben hatte, Karls
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