Im Auge des Feuers
auch von den anderen Familienmitgliedern. Sicherlich hegte man den Verdacht, dass der Brand vorsätzlich gelegt worden war.«
»Wurde dieser Verdacht nicht konkreter? Kam vielleicht jemand aus der Familie Fjeld in Frage?«
»Sieht nicht so aus.« Berger blätterte vor und zurück, als suche sie irgendwo ein Stichwort. »Die Fingerabdrücke des Mannes vom Berghang sind jedenfalls identisch mit denen, die wir seit 1969 im Archiv haben. Sie sind nach dem Verschwinden des Mannes in seinem Haus genommen worden.«
Eira ließ die Information sacken. »Hat er denn nie mehr Kontakt zur Familie aufgenommen?«
»Hätte er es offiziell getan, hätten sie uns schon längst die Türen eingerannt, Eira. Es wäre eine Sensation gewesen. Für die ganze Stadt. Und für ihn selbst inzwischen ziemlich peinlich.« Henriksens Nase glänzte und seine Brille war weit nach unten gerutscht. »Überleg mal: Karl Fjeld ist 1969 beobachtet worden, wie er in das Büro der Firma hineinging, aber keiner hat gesehen, dass er es auch wieder verlassen hätte. Das Gebäude ist abgebrannt und man hat in der Ruine sterbliche Überreste von zwei Personen gefunden. Eine davon musste man logischerweise für Karl Fjeld halten. Ich erinnere mich an die Zeitungsbilder von der Beerdigung. Er hat ja offenbar alle bewusst in dem Glauben gelassen, dass er umgekommen sei. Dann kannst du nicht einfach mir nichts, dir nichts nach Jahrzehnten wieder aufkreuzen.«
Die Fingerabdrücke und Bergers Ausführungen versetzten das Team in hektische Aktivität. Die neuen Informationen hatten wie eine Bombe eingeschlagen. Man diskutierte erhitzt, wie sinnvoll es beim aktuellen Stand der Ermittlungen wäre, Kontakt mit der Familie aufzunehmen, und beschloss, zunächst so gründlich wie möglich die Identität des Toten vom Berghang zu überprüfen.
Berger schüttelte sich. »Wenn der Mann ohne Kopf wirklich Karl Fjeld ist – wer wurde dann damals unter Karl Fjelds Namen beerdigt, Eira?«
»Um diese Frage zu klären, müsste man eben doch bald auf die Fjelds zugehen und sie zu den Ereignissen von 1969 vernehmen. Auf den Toten vom Berghang müsste man erst in einem zweiten Schritt zu sprechen kommen, und zwar dann, wenn wir seine Identität ganz sicher benennen können.«
»Ich war noch nie zuvor so glücklich über meine untergeordnete Stellung«, murmelte Benjaminsen und sah durch und durch bedrückt aus. »Es kann unmöglich meine Aufgabe sein, die Familie aufzusuchen. So etwas erfordert eine beachtliche Gehaltsklasse.«
Eira klopfte ihm auf die Schulter und blickte über die im Besprechungszimmer versammelte Gruppe. »Im Grunde besteht wenig Zweifel, dass es sich bei der Leiche vom Berghang um Karl Fjeld handelt. Aber keiner hat ihn als vermisst gemeldet. Keine Menschenseele. Das ist ja wohl ebenso seltsam wie sein Wiederauftauchen.«
»Vielleicht gar nicht so seltsam.« Henriksens Stimme durchbrach Eiras Gedanken. »Der Vater, Andreas Fjeld, ist vor kurzem gestorben, fast hundertjährig. Es gibt in dieser Familie sicherlich ein hübsches Erbe zu verteilen. Und man weiß ja allgemein, dass der Geruch von Geld die lichtscheusten Subjekte aus ihren Verstecken locken kann.«
Alle starrten Henriksen in stummer Verwunderung an. Innerhalb von fünf Minuten hatte er mehr Vernünftiges gesagt als irgendwann zuvor in seiner gesamten Karriere.
»Karl Fjeld scheint fast unmittelbar nach seiner Rückkehr getötet worden zu sein.«
»Und das Motiv für den Mord?«
»Vielleicht ganz einfach die Tatsache, dass er fast vierzig Jahre,nachdem er für tot erklärt und begraben worden ist, wieder auftauchte? Jemand wollte ihn um jeden Preis loswerden. Endgültig.«
»Oder geheimhalten, dass er die Jahrzehnte über gar nicht tot war.«
»… was doch irgendwie auf dasselbe rausläuft. Drehen wir uns nicht im Kreis?«
»Warum um alles in der Welt ließ Karl sie die ganzen Jahre in diesem Glauben?«
»Vielleicht ist er vor etwas davongelaufen? Unangenehme Verpflichtungen, unlösbare Konflikte … ein Verbrechen im schlimmsten Fall.« Eira zuckte mit den Schultern. »Der Mann muss ja nicht kriminell gewesen sein, nur weil er fliehen wollte.« Wer möchte das nicht ab und zu, dachte Eira. »Aber der Umstand, dass er ermordet wurde, als er wieder auftauchte, ist vielleicht ein Indiz dafür, dass hinter seinem Verschwinden doch etwas mehr als Fernweh steckte. Das wirft unsere zweite zentrale Frage auf: Was hätte dieser verschwundene Mann jetzt so Bedeutendes sagen oder tun können,
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