Im Auge des Feuers
reagieren, reden.
»Worauf stützen Sie diese haarsträubenden Annahmen?« Rita hatte einige Schluck Wasser getrunken und wieder Farbe im Gesicht.
»Auf Fingerabdrücke.«
»Fingerabdrücke?« Johans unterdrückter Ausruf zog die Blicke aller auf sich.
»Ja. Eine nicht unübliche Methode zur Identifikation.« Eiras Augen waren aufmerksam. »Warum so überrascht, Fjeld?« Sie hatten keine Details erwähnt, nur darüber informiert, dass Karl gefunden und identifiziert worden war.
Johans Mund bewegte sich wortlos, aber Rita hatte sich wieder gesammelt. »Wie bekommt man Fingerabdrücke von einem Mann, der seit 1969 tot ist?«
»Nun, das war er offenbar nicht.« Eira legte die Auskünfte vor, die sie sich unter anderem auch bei den kanadischen Behörden besorgt hatten. »Uns ist es gelungen, seine letzten Reisewege zu ermitteln. Die Passagierlisten der Schiffslinie Hurtigruten waren dabei sehr aufschlussreich. Als das nach Norden fahrende Schiff am 15. Oktober am Kai in Tromsø anlegte, ging Ihr Bruder Karl an Land. Er sollte jedoch noch am selben Tag nach Kirkenes weiterreisen und danach wieder zurück nach Bergen fahren. Von dort hatte er ein Flugticket nach Hause, einen offenen Rückflug nach Kanada.« Eira legte eine Pause ein, um die Informationen wirken zu lassen.
Rita und Johan rührten sich nicht. »Das glaube ich nicht«, kam es schließlich von Rita. »Da muss ein Irrtum vorliegen. Die Analysen sind fehlerhaft oder die Personeninformationen und Identitäten wurden irgendwie verwechselt. Karl ist seit Jahrzehnten tot.«
»Auf dem Schiff ist er jedoch nicht wieder aufgetaucht«, fuhr Eira unbeirrt fort. Er beugte sich vornüber und fixierte Rita mit seinem Blick. »Sie beide haben ihn also nicht getroffen?« Er sprach langsam und betonte jedes einzelne Wort.
Rita stand abrupt auf. »Es ist ein Skandal, dass Sie so etwas behaupten!«
Eira folgte jeder ihrer Bewegungen mit den Augen. »Sicherlich nicht. Wir haben Zeugen – und ich spreche dabei ausdrücklichvon mehreren –, die den Mann beobachtet und ihn als Karl Fjeld wiedererkannt haben.«
»Das ist infam! Die ganze Geschichte ist ein reines Hirngespinst.« Bebend deutete Rita mit dem Zeigefinger auf Eira. »Zeigen Sie mir diese Personen, die ihn gesehen haben wollen. Sagen Sie mir, wer das ist.« Sie zog ihren Mantel an. »Jemand will uns kompromittieren. Unseren guten Namen beschmutzen, unseren Ruf zerstören. Geschäftsvereinbarungen mit uns unmöglich machen. Man ist auf Geld von der Sensationspresse aus. Fahren Sie uns bitte nach Hause.«
Sie bat nicht um Erlaubnis, gehen zu dürfen. Mit starrem Nacken und wehendem Mantel verschwand sie durch die Tür, Johan im Schlepptau.
»Keiner aus Karl Fjelds Familie gibt zu, ihn getroffen zu haben.« Eira war allein im Raum, aber er sprach laut, während er gedankenversunken aus dem Fenster starrte. In der Scheibe sah er undeutlich seine eigenen Züge. Ein blasses, markantes Gesicht, die schmalen Augen verschwanden in schwarzen Höhlen. Ein Effekt des grellen Deckenlichts, hoffte er.
Die Tür ging auf und Bergers grellgrüne Reflexweste schmerzte in den Augen. »Tschüss. Ich hau ab.« Sie hatte sich umgezogen und war in vollständiger Joggingmontur.
»Setz dich.«
»Ich will gerade gehen. Es ist neun Uhr.«
»Na und? Wartet zu Hause etwa etwas auf dich?« Ein Blick in ihr Gesicht ließ ihn verstummen. Berger führte das ziemlich öde Leben einer »einsamen Wölfin«, und er wusste, dass sie hart kämpfte, um sich damit zu arrangieren. Sie war neunundzwanzig Jahre alt, seit einem halben Jahr in der Stadt und hatte noch nicht besonders viele gute Freunde, zumindest seines Wissens nicht. Das waren keine guten Voraussetzungen für eine lange Karriere in derStadt. »Ich brauche einen klar denkenden und vernünftigen Kopf zum Diskutieren«, sagte er und machte eine einladende Bewegung mit den Händen. »Ich dachte, dir ginge es wie mir und es stünde dir frei, auch mal zu ungewöhnlichen Zeitpunkten hier herumzusitzen und Spekulationen anzustellen.«
Sie sagte noch immer nichts, ließ sich aber auf ihrem Schreibtischstuhl nieder und sah schon viel zufriedener aus. »Nun?«
»Die Begegnung mit dem charmanten Geschwisterpaar hat meine Neugier erregt«, sagte er mit einem matten Lächeln. »In allem, was sie gesagt haben, war solch ein aggressiver Grundton, als seien sie beschuldigt worden, ihren Bruder getötet zu haben. Sie wollten einfach nicht akzeptieren, dass es sich um ihn handelt.«
»Er ist
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