Im Auge des Feuers
schließlich 1969 beerdigt worden.«
»Du hast recht. Aber warum haben sie nicht gefragt, wie dieser Mann starb? Wir haben mit keinem Wort erwähnt, dass er ermordet worden ist.«
»Vielleicht wussten sie es schon.« Berger rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her. »Eira, das haben wir bereits heute Nachmittag im Team durchgekaut. Gibt’s was Neues?«
»Vermutlich nicht. Nur die Hoffnung, dass jeder neue Blickwinkel zu neuen Theorien führt, von denen uns eine möglicherweise weiterbringt. Also, was ist dein momentaner Eindruck?«
»Unsere Theorie mit dem Erbstreit klingt für mich nicht besonders plausibel. Weder Johan noch Rita haben finanzielle Probleme. Ob das Erbe durch zwei oder drei geteilt wird, macht doch in diesem Fall nicht viel aus.«
Eira nickte zustimmend. »Ich habe eigentlich auch nicht geglaubt, dass wir zu sehr an dieser Sache mit dem Testament festhalten sollten. Aber eben habe ich mit dem Anwalt des verstorbenen Andreas Fjeld gesprochen. Du weißt schon, der fast hundertjährige Vater von Karl, Rita und Johan. Der Anwalt sagt, dass Andreas Fjeld sein ganzes Leben lang darauf bestanden hat, dasOriginal seines Testaments in einem Safe in seinem eigenen Haus aufzubewahren. Er war geradezu besessen von der Möglichkeit, dass das Büro des Anwalts ausbrennen und damit das Testament vernichtet werden könnte. Die Testamentsvollstreckung ist übrigens bis zur Aufklärung von Karl Fjelds Tod verschoben worden.«
»Das ist gut. Dann also …« Berger hatte sich halb von ihrem Stuhl erhoben.
»Berger, irgendjemand wurde unheimlich nervös, als Karl Fjeld sich auf einmal wieder auf den Straßen der Stadt zeigte.«
»Wären 1969 nicht zufällig Karl Fjelds Fingerabdrücke archiviert worden, hätten wir vielleicht nie die Identität des Toten mit dem abgehackten Kopf klären können.«
Eira kramte in seinen Unterlagen und holte einen Stoß vergilbter Mappen hervor. »Das war wirklich Glück. Meines Erachtens wird die Verbindung zu den Ereignissen von 1969 jetzt immer deutlicher. Lass uns deshalb mal nachsehen, wer damals außer den Familienangehörigen vernommen wurde.« Eira zählte auf: »Gunhild Wikan, ihr Sohn Sverre, Per Andersen und seine Mutter Magni, die bei Fjeld geputzt hat, außerdem noch Nancy, die Haushälterin.« Er kritzelte alle Namen auf einen Notizblock. »Von denen gibt heute nur Magni zu, dass sie Karl Fjeld kürzlich wiedergesehen hat. Sie muss baldmöglichst befragt werden. Innerhalb weniger Stunden sind hier zwei rätselhafte Leichenfunde zu verzeichnen. Beide Personen hatten eine Verbindung zu dem Brand von 1969, und in beiden Fällen gibt es scheinbar kein Motiv. Wer hat etwas zu verbergen?«
Magni Andersen stapfte schweren Schrittes die Stufen vor ihrer Haustür hinunter, wobei sie sich mit einer Hand am Geländer abstützte. Missmutig schlurfte sie zur Kellerluke und hakte den Schlüssel auf dem Nagel an der Innenseite fest. Dort platzierte sie ihn seit Jahrzehnten, wenn sie das Haus verließ.
Am Tor wartete der Polizeiwagen mit laufendem Motor. Magni hatte sich rundweg geweigert, noch einmal Beamte in ihr Wohnzimmer zu lassen. Man solle sie ins Präsidium holen, wenn man noch was von ihr wolle.
Eira hatte zwei junge Polizisten geschickt. Als Magni sich auf den Polizeiwagen zubewegte, stieg der Beifahrer aus, um ihr die Tür zum Rücksitz zu öffnen.
Sie blieb stehen.
»Bitte. Steigen Sie ein.«
»Ich muss vorne sitzen.«
»Vorne?«
»Ich muss vorne sitzen, hab ich gesagt. Wo soll ich sonst mit meinen Beinen hin?« Ihre kleinen Augen waren kugelrund geworden. Der Blick, mit dem sie den Beamten ansah, glühte sichtlich in der Oktoberdunkelheit.
»Natürlich.« Der Beamte schloss die hintere Tür des Wagens und hielt ihr nun die Beifahrertür auf. Er wirkte leicht irritiert, seine Bewegungen waren etwas linkisch.
Magni ließ sich ohne ein Wort auf den Beifahrersitz fallen, und kurz darauf war der Wagen startklar.
Die Gestalt verschmolz mit den Baumstämmen. Aufmerksam folgte ihr Blick den Rücklichtern. Das Polizeiauto verschwand um die Ecke. Einige Minuten später war der Schlüssel geholt und die Tür aufgeschlossen. Die Kugelleuchte über der Treppe brannte nicht und das Haus lag im Dunkeln. Es sah aus, als schlucke die Türöffnung die hineingleitenden Umrisse der Person.
Kapitel 21
Johan sank tief in seinen Ohrensessel am Fenster. Durch die Scheibe sah er undeutlich, wie Rita durch das Tor hinausging und hinter den dichten Tannen verschwand. Sie
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