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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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zu. An einem Fenster pfiff der Wind durch die Ritzen und die Gardine bewegte sich leicht. Er blieb mitten im Raum stehen, fror so arg, dass er zitterte. Die Fenster mussten also doch rein, so schnell wie möglich. Ohne sich umzudrehen, schaltete er das Licht aus, verließ mit einem seltsamen Gefühl panischer Eile das Wohnzimmer und visierte das Schlafzimmer an. Dieses Zimmer ließ sich verschließen, es hatte dichte Fenster und war warm. Dort konnte er im Bett lesen.
    Der Wind war inzwischen abgeflaut. Johan hatte das Buch weggelegt und war fast eingeschlafen, als er das Geräusch hörte. DieTreppenstufe, die knarrte, wenn man nicht aufpasste, wohin man trat. Das Geräusch, das er in seiner Jugend stets sorgfältig vermieden hatte, um nicht zu verraten, wie spät er nach Hause kam. Er hatte den Laut zum letzten Mal gehört, als Karl da gewesen war.
    Eine eigenartige Taubheit ließ ihn schwer und unbeweglich werden, aber nicht lange. Johan sprang aus dem Bett und stürzte zur Treppe. Er blickte hinab. Ganz unten machten die Stufen einen Bogen und dort war es stockfinster. Seine Phantasie spiegelte ihm eine Bewegung in der Dunkelheit vor. Sein Verstand widersprach, das war Unsinn. Er schaltete die Deckenleuchte ein und umklammerte den obersten Knauf des Geländers, die Beine unzuverlässig kraftlos unter ihm.
    Als er sich hingelegt hatte, war er ziemlich betrunken gewesen. Der Rausch war immer noch spürbar. »Hallo? Hallo!« Johan taumelte schwankend ein paar Stufen hinunter. Seine Stimme wurde brüchig und sein Herz raste. Alle Fenster waren geschlossen. Nancy hatte sicherlich abgeschlossen, als sie gegangen war. Spukte Karl etwa irgendwie hier herum?
    Er fuhr zusammen, als er Karls Mantel sah. Es war zum Verrücktwerden! Karl hatte sich Johans Allwetterjacke ausgeliehen, bevor er zur Hütte gefahren war, und das riesige Monstrum mit dem Pelzkragen hing noch hier. Wie dumm, noch nicht wieder daran gedacht zu haben. Er konnte unmöglich den Mantel einfach hier hängen lassen und behaupten, er gehöre ihm selbst. Die Polizei würde möglicherweise Untersuchungen anstellen, und dann musste alles, was Karl gehörte, verschwunden sein.
    In der Diele roch es schwach nach Rauch und Johan griff in Karls Manteltaschen. Sie waren natürlich leer. Karl hatte die Pfeife zwischen den Zähnen gehabt, als er losgefahren war. Johan schloss schnell die Tür auf und wollte gerade die Diele verlassen, als sein Blick auf die Konsole fiel. Neben seinen Autoschlüsseln, die er am frühen Abend dorthin gelegt hatte, lag Karls Pfeife.
    Johan riss den Mantel und die Pfeife an sich und knallte die Tür zu.
    Bei voller Beleuchtung, in eine Wolldecke gewickelt, saß Johan im Wohnzimmer. Er nippte an einer Flasche und starrte in das Kaminfeuer, das mit äußerst seltsamer Flamme und schwarzem Rauch Karls Mantel und Pfeife verzehrte. Johan blieb dort sitzen, bis er hörte, wie der Zeitungsbote am nächsten Morgen in aller Frühe die Zeitung in den Briefkasten warf. Dann schlief er sturzbetrunken ein.

Kapitel 22
    20. Oktober 2007
    »Todesursache augenfällig, könnte man versucht sein zu sagen«, bemerkte Vennestad am nächsten Morgen. Mit gerunzelter Stirn musterte er die kopflose Leiche.
    Eira wippte von Bein zu Bein. »Sie führen eine vollständige Untersuchung durch?«
    »Selbstverständlich.«
    Während dieser zwei Sätze hatte Vennestad den Y-Schnitt gemacht und war bereits dabei, den Bauch der Leiche zu öffnen. Gewöhnlich sprach er bei der Arbeit, ein gedämpftes Murmeln, das sich in erster Linie an ihn selbst richtete. Aber jetzt war der Pathologe plötzlich still geworden. »Man soll ja nicht gleich nach dem Äußeren gehen. Dieser Leitsatz bewahrheitet sich öfter, als man glaubt.«
    Eira, der hinter ihm stand, trat einen Schritt vor und richtete seinen Blick wie immer nur widerwillig auf das klaffende Fleisch.
    »Was denn, Vennestad? Klären Sie einen Laien wie mich auf.« Zu Ratespielchen hatte Eira keine Lust – auch fühlte er sich dazu nicht qualifiziert.
    Vennestad kam nun glücklicherweise direkt zur Sache. »Der Mann war wohl schon ein älterer Mensch, aber nicht besonders gebrechlich.« Er löste gerade die Därme aus dem Bauchraum. »Soweit ich sehen kann, war der Mann gesund.« Er runzelte die Stirn und schwieg, während er mit der Untersuchung fortfuhr.
    Eira interpretierte Vennestads Falte zwischen den Augenbrauen als Zeichen dafür, dass der Professor sich jetzt einer besonderen Herausforderung stellte. Die Falte

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