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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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hatte ihr Auto ein Stück entfernt auf der Straße geparkt. Der Abstand zwischen den Torpfosten sei zu schmal, hatte sie einmal gesagt. In gewissem Sinne hatte sie recht. Die Pfosten waren zu einer Zeit gesetzt worden, als nur die wenigsten ein Auto besaßen. Auf jeden Fall war er zu schmal für jemanden mit Promille.
    Er legte den Kopf nach hinten und atmete durch. Hohe Decken, schwere, dunkle Möbel und ein anhaltender Geruch nach Möbelöl und Staub. Nie hatte er auch nur ein Detail an der Einrichtung verändert, das wäre ihm nicht im Traum eingefallen. Es wäre einem Sakrileg gleichgekommen, wenn er etwas hinausgeworfen hätte. Sein Vater hätte Aktionen dieser Art niemals gestattet.
    Das Haus war für eine Person allein viel zu groß. Johan hatte keine Verwendung für all die Zimmer, aber sie waren ein Teil des Hauses und brauchten eine gewisse Möblierung, damit man sich in ihnen nicht komplett verloren fühlte. Er sinnierte darüber, dass keiner von ihnen, weder er selbst noch Rita, je eine Familie gegründet hatte.
    In seiner Jugend hatte er ein paar Mal Freundinnen mit nach Hause gebracht, aber dann recht schnell das Interesse an ihnen verloren. Seine Ansprüche waren hoch, und die seiner Eltern im Grunde unerfüllbar. Die Antrittsbesuche potenzieller Schwiegertöchter waren qualvoll gewesen. Bei Kaffee und Kuchen hatten Johans Eltern eingehend geprüft, ob sich das jeweilige Mädchen für die Familie Fjeld ziemen würde. Johan hatte sich bald entschieden,solcherlei Torturen nicht länger durchstehen zu wollen. Die Mädchen waren nervös geworden, erröteten, kicherten, verschütteten Kaffee. Sie waren in den Augen der Eltern nicht angemessen gekleidet oder entstammten schlichtweg der falschen Familie.
    Und dann war da Rita. Zu dieser Zeit hatte sie noch zu Hause gewohnt und war immer dabei gewesen. Rita war von jeher eine Miesmacherin, eine geistige Henkerin gewesen. Sie hatte dagesessen und geschwiegen, während sie Johans neue Flamme durch ihre halb zugekniffenen Augen musterte. Rita hatte dann meistens behauptet, der Zigarettenrauch brenne in ihren Augen. Johan wusste jedoch genau, dass seine Schwester gerade wieder dabei war, die arme Frau, die sich in ihr Revier gewagt hatte, kritisch zu taxieren.
    »Leicht vulgär«, war Ritas Urteil in den meisten Fällen gewesen. »Direkt von der Straße. Nicht besonders helle. Wo gabelst du die eigentlich immer auf, Johan?«
    Die Wahrheit war natürlich, dass Johan trotz seines Wohlstands nicht aus der obersten Liga wählen konnte. Auch das gehörte zu den Dingen, die Rita ihm sehr früh unmissverständlich klargemacht hatte: Er war nicht gerade ein Traummann. Im Gegenzug verspürte Johan eine tiefe Genugtuung darüber, dass die meisten Männer Angst vor Rita hatten. Diese Frau war ein wahrer Drache.
    Johan zuckte zusammen, als die Wohnzimmertür leise aufglitt. Nancy stand dort, ein unbeweglicher Schatten vor der dunklen Diele.
    »Verdammt, Nancy, kannst du nicht ein paar Geräusche machen, damit man dich hört? Mein Herz verträgt keine Personen, die einfach so aus dem Nichts auftauchen. Nicht noch eine.« Er sah sie missbilligend an. »Wie lange warst du schon vor der Tür, bevor du sie geöffnet hast?«
    »Das Abendessen steht in der Küche.«
    »Wirst du jemals aufhören, an den Türen zu lauschen?«
    »Ich lösche das Licht hinter mir.«
    »Nein! Hör endlich auf, die Lampen im ganzen Haus auszumachen! Wir haben hierzulande genug Energie! Ich kümmere mich selbst darum, wenn ich ins Bett gehe.«
    »Ich mache mich jetzt mal auf den Weg.« Sie hatte sich keinen Zoll bewegt.
    »Gut, gut. Bis morgen. Und lass das Licht in der Diele an.«
    Johan verschüttete ein paar Tropfen, als er sein Glas wieder füllte, und wünschte sich, dass es geschneit hätte. Ohne ordentlich Schnee war es verflucht schwarz draußen. Die riesigen Fenster gaben ihm das Gefühl, immerfort allen möglichen Blicken ausgesetzt zu sein. Der Wind hatte kräftig zugenommen. Kahle Bäume wogten in den Böen.
    Es war eisig kalt, auch hier drinnen. Johan hatte die Doppelfenster für den Winter nicht eingesetzt, hatte es einfach nicht über sich gebracht. Das altmodische System der doppelten Fenster, die im Winter eingehakt und im Frühling wieder ausgehakt wurden, machte eine Mordsarbeit. Jedes Jahr schwor er sich, dass sie gegen moderne dreifach verglaste Fenster ausgetauscht werden sollten, aber dann begann die Sonne zu scheinen, die Temperaturen stiegen und er vergaß es.
    Er zog die Gardinen

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