Im Auge des Feuers
die Hauswand schräg gegenüber schmückten. Farbenprächtige, fröhliche Bilder auf grauem Stein, ein Fest fürs Auge. Nur – Eira war heute beim besten Willen nicht nach Feiern zumute.
Sie hatte sich wirklich direkt ins Auto gesetzt. Es hatte nur zehn Minuten gedauert und jetzt stand sie da, in Jeans und wattierter Steppjacke, das dunkle Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Er fand, sie sah jünger aus als Niillas.
Mona umarmte Eira flüchtig und er ging vor ihr hinein. Während sie die Jacke auszog, goss er Kaffee ein und legte einen großen Löffel mit Marmelade auf ihre Scheibe Brot. Wenn einem die Worte fehlten, musste man sich an Gesten halten.
Mona hatte sich gesetzt. Ihre Augen folgten ruhig seinen Bewegungen, wichen keinen Augenblick aus, außer wenn sie plötzlich auf seinen Blick trafen. Als er schließlich nichts anderes mehr tun konnte, als sich ihr gegenüber hinzusetzen, fragte sie: »Worüber wolltest du mit mir reden?«
»Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Ich weiß.« Sie biss ein winziges Stück von ihrem Brot ab, wie sie es, wie er sich erinnerte, immer tat. Sie aß wie ein Spatz. »Ich freue mich, dass du an mich gedacht hast. Was ist passiert?«
Sie wirkte engagiert und zurückhaltend zugleich. Jetzt, da sie hier war, fühlte er sich ruhiger. Seine Probleme waren plötzlich in weite Ferne gerückt.
Eine ganze Weile blieb es still zwischen ihnen. So war sie. Sie hatte es nie eilig mit dem Reden. Er leerte seine Kaffeetasse und aß sein Brot, immer noch schweigend.
Schließlich sagte sie: »Ich glaube nicht, dass es um deine Arbeit geht.«
Er goss Kaffee nach, ohne sie anzusehen.
»Es geht um Niillas, nicht wahr?«
Er hatte die Tasse halb zum Mund geführt, stellte sie aber wieder hin. »Ich begreife nicht, was da abläuft.« Er konnte sie immer noch nicht ansehen. Er war nicht illoyal, entschied er. Er musste das einfach mit jemandem besprechen. Mit ihr. Aber etwas stimmte nicht mit seinen Augen. Mit seinem Hals und seiner Stimme.Er hörte sich an wie ein Fremder. »Er ist so kühl geworden. Verhält sich fast feindselig.«
Erneut entstand eine lange Pause. Eira spürte ihren Blick wie ein Brennen auf seinem Gesicht. »Was denkst du selbst darüber?«
Er holte Luft. »Ich mache mir Sorgen wegen allem, was ich nicht weiß … über ihn.« Er atmete wieder aus, lange und hörbar. »Wegen allem, was er mir nicht erzählt.«
»Bist du sicher, dass dir das am meisten Angst macht?«
Er schüttelte mechanisch den Kopf. »Nicht nur. Wir hatten immer …« Er machte eine Bewegung mit der Hand. »Waren so … Ich habe mehr Angst davor, ihn zu verlieren, als vor allem anderen.«
Er konnte sehen, wie sie seine Worte abwog. Ihn überkam das dumpfe, quälende Gefühl, sich in einer Psychotherapiesitzung zu befinden. Und noch schlimmer: es nötig zu haben.
Sie öffnete gerade den Mund, als die Tür aufging. Niillas kam herein, verschlafen und zerzaust, nachdem er wie gewöhnlich vorher geduscht hatte. Er blieb abrupt stehen, lächelte aber, als er sah, wer es war. »Mona.«
»Ich sitze auf deinem Platz, Niillas. Aber ich gehe jetzt. Die Arbeit ruft.« Sie stand auf und umarmte ihn. Eira registrierte, dass sein Sohn die Umarmung erwiderte. »Schön, dich zu sehen, Niillas, ich hab an dich gedacht.«
Niillas trat zur Seite und Victoria kam herein. Sie schien für einen Moment zu erstarren, als Mona ihr die Hand reichte, und ihre Augen wurden schmal. Aber dann fiel die spürbare Reserviertheit von ihr ab, und sie ergriff mit einem strahlenden Lächeln Monas Hand. »Victoria.«
»Mona. Was machst du so?«
»Ich studiere Psychologie. Im ersten Jahr.«
»Aha. Gefällt’s dir?«
Victoria hatte bereits einen Becher gefunden und sich Kaffeeeingeschenkt. Sie bewegte sich auf nackten Füßen zwischen Arbeitsplatte und Küchentisch hin und her. »Es macht mir großen Spaß. Man trifft so interessante Leute. Das ist im Grunde das Wichtigste für mich, wichtiger als das Studium selbst.« Sie sprach einen Dialekt, der sich geographisch schwer einordnen ließ. Mit dem Becher in der Hand setzte sie sich auf den Stuhl Eira direkt gegenüber. Offensichtlich forderte sie seine Abneigung bewusst heraus. Sie richtete den Blick auf ihn, als seien sie allein im Raum, und signalisierte Mona damit unmissverständlich, dass das Gespräch beendet war.
»Na dann«, sagte Mona leichthin und zog ihre Steppjacke an. »Das war nett. Man muss die freien Stunden, die man hat, nutzen, nicht wahr? Egal zu welcher
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