Im Auge des Feuers
Tageszeit.«
Eira erhob sich, das Gesicht wie in Stein gehauen. Er begleitete Mona wortlos hinaus und blieb trotz der Minusgrade nur im T-Shirt bei ihr stehen. »Was hältst du davon, nächste Woche mit mir essen zu gehen?« Auf einmal war es wichtig, eine Art Sicherheit zu schaffen. Sie nicht gehen zu lassen, bevor er wusste, wann er sie das nächste Mal treffen würde. »Passt dir Freitag?«
Über ihr Gesicht flackerte kurz etwas wie Überraschung. Dann sagte sie scheinbar unbeeindruckt: »Ich wollte gerade Freitag vorschlagen. Ich hoffe, du kannst Niillas überreden mitzukommen.«
Victoria erwähnte sie nicht, und Eira atmete erleichtert aus. Monas Intuition funktionierte, wie sie sollte. »Zumindest mit mir kannst du rechnen.«
Er sah dem davonfahrenden Auto nach und vermisste sie schon jetzt. Dann griff er nach seiner Jacke, schlüpfte in die Schuhe, rief ein »Tschüss« über die Schulter und setzte sich ins Auto. Er sah keinerlei Anlass, noch einmal in die Küche zu gehen.
Kapitel 29
Vor dem Obduktionssaal ging es ungewöhnlich geschäftig zu, als Eira eintraf. Er stoppte an den beiden Flügeltüren und sah durch eines der Bullaugen hinein. Lauter weiß und grün bekittelte Menschen.
Beim Eintreten erfasste Eira eine Welle warmer, eigentümlich riechender Luft. Formalin in knisternder Atmosphäre. Man spürte förmlich die angespannte Erwartungshaltung der Spezialisten. Im Zentrum der Laboranten stand Vennestad, bereits hochkonzentriert. Bei ihm eine stämmige Frau mit roter Brille. Unter der Haube lugte kurzes, graues Haar hervor. Vennestad verfolgte ihre Aktionen aufmerksam, während sie sich auf eine Art bewegte, die von den Umstehenden gehörigen Respekt einforderte.
Vennestads Stab war erweitert worden. Soweit Eira informiert war, musste dies die Gerichtsanthropologin sein, eine Spezialistin für Skelette am Osloer Institut für Gerichtsmedizin. Heute war sie nach Tromsø gebeten worden. Auch Eiras Team hatte Verstärkung bekommen. Er würde ab jetzt mit vier Ermittlern der Landeskriminalpolizei zusammenarbeiten.
Eira ging einige Schritte weiter in den Raum hinein und richtete seinen Blick auf den glänzenden Stahltisch. Die Reste eines dunkelbraunen Skeletts waren in möglichst korrekter Formation auf grünen Tüchern angeordnet worden. Man hatte ausgegraben, was man fast vierzig Jahre lang für Karl Fjelds sterbliche Überreste gehalten hatte. Mehrere Plastiktüten und Schachteln waren in Reih und Glied aufgestellt und gekennzeichnet: Tibia dxt, femur sin, radius sin, ulna dxt . Ohne zu fragen, begriff Eira, dass die verschiedenen Teile des Skeletts einzeln untersucht und mit den Vermerken »rechts« und »links« gekennzeichnet wurden.
Die kurzhaarige Frau maß die Länge der Knochen, wog und fotografierte. Vennestad stand vornübergebeugt neben ihr, die Hände auf dem Rücken, während Röntgenaufnahmen gemacht wurden. Die CT-Bilder waren bereits fertig.
»Zum Glück hatte der Tote Zähne, Eira«, murmelte Vennestad. »Auch wenn damals Amalgam Hochkonjunktur hatte.« Vennestad schob die Brille hoch auf die Stirn. »Ich habe die alten gerichtsmedizinischen Berichte von 1969 durchgesehen. Einer der Gründe dafür, dass man derart patzte und glaubte, es sei Karl, war ja, dass man keine Gebissabdrücke von Karl besaß. Und Fingerabdrücke ließen sich damals von dem Toten auch nicht nehmen.«
Die grauhaarige Frau richtete sich auf und betrachtete Eira über ihren Brillenrand hinweg. Mit dem Gefühl, als stünde er vor einer strengen Oberlehrerin, stellte er sich vor. »Was haben Sie bisher herausgefunden?«
»Es handelt sich um einen circa eins fünfundachtzig großen Mann. Was das Skelett anbelangt, so hatte er keine nachweisbaren Krankheiten. Das Alter liegt schätzungsweise irgendwo zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Wie Vennestad schon angemerkt hat, hatte er noch eigene Zähne, auch wenn es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand.« Sie schob die Brille mit dem Handgelenk zurecht. »Sie haben noch keine Vermutung, um wen es sich handelt?«
»Wir haben uns bis jetzt vor allem damit beschäftigt, um wen es sich nicht handelt«, murmelte Eira. Er hatte eines der Fotos in die Hand genommen, die neben dem alten Bericht lagen. Eine verkohlte Leiche, sicherlich selbst für die nächsten Angehörigen nicht wiederzuerkennen. »Man hat also diese Besitzstücke, die Karl Fjeld gehörten, auf und neben der Leiche gefunden. Eine Brille mit relativ dicker Stahlfassung.« Er griff nach einem
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