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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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Personen tot aufgefunden worden.«
    »Danach haben Sie nicht gefragt. Sie haben gefragt, was ich wusste. Die Antwort ist, dass ich nichts davon wusste, dass außer meinem Bruder jemand in das Gebäude gegangen ist.«
    Sie sah beim Reden an ihm vorbei, umklammerte mit einer Hand fest ihren Ellbogen und starrte aus dem Fenster.
    »Was können Sie mir über Oscar Wikan erzählen?«
    »Vermutlich nicht mehr, als Ihnen ohnehin schon bekannt ist. Wikan ist auch bei dem Brand gestorben. Er war Buchhalter, verheiratet, hatte einen Sohn. Und er war Kommunist. Meiner Ansicht nach ein lästiger Agitator, ein richtiger Aufwiegler. Mein Vater hatte versucht, ihn loszuwerden, aber das war ihm natürlich nicht gelungen.«
    »Er hatte doch auch eine Frau? Gunhild?«
    »Was sollte die mit der Sache zu tun haben?« Ritas Stimme bebte.
    Eira wunderte sich über den Unterton. »Antipathie« war nicht das richtige Wort. Er schwieg und dachte einen Moment darüber nach, ob er Rita womöglich falsch verstanden hatte, ob er ihr zu starke Gefühle zuschrieb.
    Eira räusperte sich. »Also, Sie wissen nicht, warum Wikan gerade in jener Nacht so spät in die Büros gegangen ist?«
    »Das habe ich schon 1969 beantwortet.« Sie klang wieder abweisend. »Karl hatte eine Menge Belege durchgesehen, unter anderem Gehaltslisten. Oscar hatte sich zu viele Überstundenzuschläge zugeschanzt. Sowohl an seiner Liste als auch an den Listenanderer Mitarbeiter war herummanipuliert worden. Ich glaube, Wikan hat versucht, die Papiere verschwinden zu lassen.«
    »Warum sucht er sich ausgerechnet eine solche Nacht dafür aus? Eine Menge Leute, totales Chaos …«
    »Vielleicht gerade deshalb. Chaos, Gedränge, überall Menschen. Keiner würde reagieren, wenn man ihn hineingehen sähe.«
    »Wäre es denkbar, dass Wikan viel früher am Abend ins Büro gegangen ist? Und dann vielleicht einschlief? Könnte ihm schlecht geworden sein?«
    Endlich wandte sie den Blick von der Fensterscheibe ab und sah Eira direkt in die Augen. »Ich glaube nicht, dass Oscar Wikan begriffen hat, wie gefährlich das Feuer war. Das war den wenigsten von uns bewusst, wir hätten nie gedacht, dass der Brand sich so stark ausbreiten würde. Und schon gar nicht so schnell.«
    Rita strich mit der Hand über ein Sideboard und öffnete es. Gedankenversunken rückte sie einige Gläser zurecht. Dann setzte sie sich auf eine Stuhlkante. Ihre Wangen waren übersät von hektischen roten Flecken. »Wenn es stimmt, dass Karl doch nicht bei dem Brand gestorben ist, stelle ich mir folgende Frage: Wusste Karl, dass Oscar Wikan in jener Nacht dort war? Kann er ihn absichtlich da drin eingeschlossen haben?« Sie stockte, allerdings nicht lange. »Es würde mich nicht wundern, wenn Karl die unbekannte Person, die im Keller gefunden worden ist, niedergeschlagen und seine eigenen Sachen dort zurückgelassen hätte, um uns alle irrezuführen.« Sie sah Eira fest an. »Wissen Sie, Karl war ganz und gar kein Engel.«

Kapitel 32
    Magni Andersen schob die Küchenstühle geräuschvoll zurecht, nachdem sie das Abendessen auf den Tisch gestellt hatte.
    »Per, du Taugenichts! Mach, dass du runter zum Essen kommst!«
    Plötzlich hielt sie inne. Mehr als ein halbes Jahrhundert hatte sie jeden Tag zur gleichen Zeit nach ihm gerufen, ob er zu Hause war oder nicht. Eine Angewohnheit, die sich schwer ändern ließ. Das Gedächtnis war schwerfällig geworden, sie spürte es.
    Der Vorfall war ihr noch nicht völlig bewusst geworden. Sie ertappte sich dabei, das Ganze einen »Vorfall« zu nennen. Worte wie »Tod« und »Todesfall« hätten sie nur unsäglich traurig gemacht. Jetzt war Per nicht mehr da, aber sie brachte es irgendwie nicht fertig zu weinen. Tränen waren ihr immer fremd und unnatürlich vorgekommen. Magni konnte sich kaum erinnern, jemals geweint zu haben, außer als Kind, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte. Auch jetzt verspürte sie keinen Impuls zu weinen. Die meiste Zeit des Tages dachte sie noch nicht einmal an den Vorfall . Sie verhielt sich wie immer, verrichtete ihre alltäglichen Pflichten und hatte trotz der Aufregung in der letzten Zeit kein einziges Mal das Bingo-Spiel versäumt.
    Wenn man ehrlich sein wollte, war er viele Jahre lang eine rechte Plage gewesen, mit all seiner Sauferei, dem ewigen Betteln um Geld, gar nicht zu reden von seinem Versuch, im Keller Selbstgebrannten herzustellen. Nie war Schnaps daraus geworden, bloß trüber Hefesatz. Glücklicherweise hatte er nicht genug Grips

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