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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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versucht hatte.
    »Das ist doch die Höhe!« Sie schnaubte laut und ging voran ins Wohnzimmer. »Ein Mann taucht über dreißig Jahre, nachdem mein Bruder im Feuer umgekommen ist, aus dem Nichts auf, und dann behauptet die Polizei mit ihren phantastischen Methoden, dass dieser Tote ohne Kopf mein Bruder gewesen sein soll …« Sie schnaubte wieder, diesmal noch entrüsteter. »Ohne jede Scham öffnet man Karls Grab, Grabschändung nenne ich so was … All das können wir nicht verhindern, und noch nicht mal Protest ist erlaubt!«
    »Sind Sie nicht daran interessiert, dass diese Angelegenheit so eindeutig wie möglich geklärt wird?«
    »Für mich war das Ganze klar! Achtunddreißig Jahre lang!«, fauchte sie geradezu. »Wie hätte es anders sein können? Karl ist bei dem Brand gestorben. Wir haben ihn beerdigt, ich war selbst dabei. Glauben Sie mir, ich habe viele Jahre gebraucht, um das hinter mir zu lassen und wieder zur Ruhe zu kommen.« Wutschäumend beugte sie sich zu Eira. »Ein wildfremder Mann, ein Tourist, kommt ums Leben, und die Polizei bringt es fertig zu behaupten, dass die Fingerabdrücke des Mannes zu einer Person gehören, die seit fast vierzig Jahren tot ist.«
    »Hatte Karl damals mehrere Brillen?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben die Frage gehört.«
    »Brillen …«, sie starrte ihn verwirrt an. »Ja … nein … ich habe keine Ahnung.«
    »Erinnern Sie sich daran, ob er einen Ring hatte, den er immer trug?«
    Sie nickte und wurde hellhörig. »Ja. Was ist damit?«
    »Die Familie wurde hinzugezogen, als Karl identifiziert werden sollte?«
    Sie erbleichte und senkte den Blick. »Sprechen Sie bitte nicht davon.«
    »Sie alle waren sich sicher, dass es Karl war?«
    »Glauben Sie etwa, wir wären in der Lage gewesen, uns die Überreste sonderlich lange anzusehen?« Sie faltete die Hände im Schoß und sah weg.
    »Irgendetwas muss Sie davon überzeugt haben, dass er es war.«
    »Ich weiß ja, dass Sie die Antwort schon kennen.« Rita erhob sich und tastete nach den Zigaretten. Als sie eine davon anzündete, war das Zittern ihrer Hand deutlich zu sehen. »Warum quälen Sie mich so viele Jahre danach damit? Diese fürchterlich verkohlte Leiche, bei deren Anblick man sich in seiner wildesten Phantasie nicht vorstellen konnte, dass sie einmal ein Mensch gewesensein sollte, das … das sollte offenbar mein Bruder sein.« Sie nahm ein Taschentuch und schnäuzte sich die Nase.
    »Sie haben damals bestätigt, dass es Karl war?«
    »Ich wollte nur noch raus! Raus aus diesem schrecklichen Raum … Dieser beißende Geruch … Ich war kurz davor, ohnmächtig zu werden, wollte mich übergeben, die Beine haben mir versagt.«
    Eira verstand sie, aber ließ nicht locker. »Etwas hat Sie doch wohl veranlasst, mit Ja zu antworten – und nicht mit Nein? Dass er am richtigen Ort gefunden worden ist?«
    »Die Brille.« Sie machte eine hilflose Bewegung mit der Hand. »Die rußgeschwärzte, verbogene Brille, die ich ohne Probleme wiedererkennen konnte. Und der Ring. Er hatte diesen Ring am Finger, seit er aus den USA heimgekehrt war.«
    Sie hatte sich ans Fenster gestellt. Von dort blickte man über den ausgedehnten Besitz, auf die entlang des Zauns in einer Reihe gepflanzten Bäume und jenseits von ihnen auf das klassisch schöne Panorama des Sundes mit den Bergen dahinter. Eira stellte sich neben Rita. »Wenn Sie die Möglichkeit gehabt hätten, zu sich zu kommen, wenn man Ihnen Zeit gegeben hätte, nachzudenken, noch einmal hineinzugehen, glauben Sie, dass Ihre Antwort dann die gleiche gewesen wäre?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Stellen Sie sich vor, Sie hätten sich sammeln und über den Schock beim Anblick der Verbrennungen hinwegkommen können. Sie hätten der Brille und dem Ring keine Bedeutung beigemessen, sondern sich auf den Körperbau konzentriert. Was dann?«
    »Körperbau!«, schnaubte sie. »Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden? Um Ihnen die Wahrheit zu sagen: Ich hatte keine Ahnung, ob es tatsächlich Karl war. Wie hätte man sich in so einer Situation auch sicher sein können? Es war vollkommen unmöglich zu antworten. Der Tote war … kein Mensch mehr. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wer es sonst sein sollte. Wer sonst hätte in die Bürosgehen sollen? Die Türen waren abgeschlossen. Karl war kurz zuvor hineingegangen, das wusste ich, und …« Sie verstummte plötzlich und drehte sich weg.
    »Wer noch?«
    »Niemand.«
    »Sie wissen, dass das nicht stimmt«, protestierte Eira. »Da drinnen sind zwei

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