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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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Tür zu Pers Zimmer. Sie schob sie auf und zuckte zusammen, als die Scharniere knarrten.
    Gunhild brauchte nicht mehr als zwei Minuten, um sich den Raum, die Wände, die Regale, einzuprägen, um die Schubladen im Schreibtisch aufzuziehen und die Papiere durchzublättern. Sie starrte lange auf den Schlüsselbund, der dort lag, nahm ihn dann mit spitzen Fingern auf und ließ ihn in ihre Tasche sinken.
    Als sie auf dem Weg nach unten an der Toilette vorbeikam, vergaßsie nicht, die Spülung zu betätigen und das Wasser am Waschbecken eine Weile laufen zu lassen.
    Magni füllte die Tassen und stellte den Kaffeekessel mit einem dumpfen Aufprall mitten auf den Tisch. Sie hatte sich inzwischen gesammelt und ihre Gesichtszüge waren wieder vollends durch den distanzierten Ausdruck geprägt.
    »Ich habe über Ihre Fragen nachgedacht, Gunhild Wikan«, sagte sie gedehnt und setzte sich. »Ob Per über etwas gesprochen hat, was sonst niemand wusste.«
    Ihre nackten Arme, dick wie Oberschenkel, hatte Magni vor der Brust verschränkt. »Sie haben völlig recht. Natürlich gab es da eine Menge. Vieles, was er außer mir niemandem erzählt hat.« Sie beugte sich vor. »Das eine ist, dass Sie Sverres Mutter sind. So gesehen könnte ich Sie ins Vertrauen ziehen. Aber das andere ist, dass Sie zumindest damals unendlich affektiert und geltungssüchtig waren. Außerdem unerträglich arrogant. Sollte ich da irgendeinen Drang verspüren, Ihnen Geheimnisse anzuvertrauen?«
    Gunhild starrte in ihre Kaffeetasse. Obenauf schwamm eine dünne Fettschicht. »Vielleicht sollte ich jetzt besser gehen.« Übertrieben langsam zog sie ihre Handschuhe an. »Danke für den Kaffee.« Ohne sich noch mal umzudrehen, stolzierte sie aus dem Wohnzimmer.
    Magni war empört wie lange nicht mehr. Gunhild Wikan war an Frechheit kaum zu überbieten. Wie eine Diva war sie hier hereinspaziert und hatte geglaubt, sie, Magni Andersen, brenne darauf, sich ihr anzuvertrauen. Diese falschen Tränen, die zitternden Mundwinkel – eine hinterlistige Schauspielerin! Magni wäre tatsächlich fast darauf hereingefallen. Aber sie vergaß nie. Keinesfalls diejenigen, die auf ihr herumgetrampelt waren. Solche Leute würde sie bis in alle Ewigkeit im Kopf behalten.
    Verärgert schüttete Magni den Kaffee zurück in den Kessel. Lange blieb sie sitzen und starrte vor sich hin. Etwas stimmte nicht mit dieser Frau. Die hatte einige Leichen im Keller. Ob dieser Polizist eigentlich wusste, dass Gunhild Wikan zurückgekehrt war und in den gleichen Angelegenheiten herumschnüffelte wie er? Es wäre ihr ein Vergnügen, ihn zu bitten, Gunhild einen Besuch abzustatten.
    Am Fenster bewegte sich etwas und Magni fuhr zusammen. Die Schürzen. Diese verdammten Schürzen warfen da draußen Schatten. Sie flatterten so heftig im Wind, dass Magni einen Moment geglaubt hatte, dort jemanden zu sehen.
    Magni erhob sich vom Stuhl und ging schweren Schrittes zur Tür. Dunkelheit hin oder her, das Zeug musste jetzt doch rein. Der Winter war da, von nun an würde die Wäsche auf dem Dachboden trocknen. Magni war noch nicht zu alt zum Treppensteigen.
    Der Wind riss an der Tür, als Magni sie öffnete. Sie blieb im Türrahmen stehen und blinzelte. Zu ärgerlich, dass Per sich nie dazu hatte aufraffen können, die Glühbirne in der Lampe über der Haustür auszuwechseln.
    Nur schemenhaft nahm sie die Wäscheleine wahr, auf der beide Schürzen hingen. Sie wirkten grau vor dem noch dunkleren Hintergrund und den mächtigen, dichten Tannen an der Grenze zum Nachbarn.
    Magni suchte Halt am wackeligen Geländer und tastete sich vorsichtig die vereisten Treppenstufen hinunter. Dann brauchte sie nur noch die paar Meter zur Wäschespinne zu laufen. Sie nahm die Schürzen herunter und erstarrte, als sie Schritte auf dem gefrorenen Boden hörte. Mit verkniffenen Zügen drehte sie sich um. »Was denn jetzt noch?«, fragte sie scharf. »Verschwinden Sie von hier.«
    Magnis Worte klangen seltsam hohl in der Dunkelheit und verhalltendumpf. Der Neuschnee knirschte unter den sich nähernden Schritten. Die Gestalt trat aus der Dunkelheit heraus. Nun erhellte das Licht vom Küchenfenster das Gesicht und Magni hob mit halb geöffnetem Mund ihre Hand. Sie versuchte verzweifelt, sich gegen den Arm zu wehren. Vergebens. Er schwang in einem langen, hohen Bogen auf sie zu.
    Der Schreck erreichte kaum noch Magnis Augen. Sie erloschen sofort, als der harte Gegenstand ihren Kopf traf.

Kapitel 33
    25. Oktober 2007
    Am nächsten Morgen

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