Im Auge des Feuers
kann sich überhaupt nicht dagegen wehren.«
Johan ließ langsam die Zeitung sinken. »Weißt du eigentlich, dass mir das gehörig stinkt, was du hier von dir gibst? Jede deiner Bemerkungen klingt wie eine Unterstellung. Meine liebe Rita, darf ich dich daran erinnern, dass ich damals noch ein Junge war? Was wusste ich denn? Du dagegen hast im Büro gearbeitet und dich in alles Mögliche eingemischt, ohne dass Vater auch nur etwas ahnte.« Er streckte sich nach seiner halbleeren Kaffeetasse. »Und hast du denn völlig vergessen, wer bei der Identifizierung des Toten mit dabei war? Wer glaubte bitte schön, unseren lieben Bruder Karl wiederzuerkenen? Du oder ich?« Er hob den Blick von der Tasse und sah sie durchbohrend an. »Aus irgendeinem Grund musst du dir sehr sicher gewesen sein, dass Karl tot war.«
»Was zum Teufel willst du …« Rita war wutentbrannt aufgestanden, als es an der Tür klingelte.
Johan war schon auf den Beinen. »Ich mach auf.«
Die Frau, die Johan ins Wohnzimmer folgte, war sonnengebräunt. Sie hatte noch ihr naturblondes Haar, allerdings mit einem Anflug von Grau. Die hohen Jochbeine und das intensive Blau ihrer Augen stachen hervor. Man konnte noch deutlich erkennen, wie schön sie in ihrer Jugend gewesen sein musste.
Rita Fjeld erstarrte und trat einen Schritt zurück.
»Gunhild Wikan …«
Rita hielt die Tür weiterhin mit einer Hand fest, ohne Anstalten zu machen, Gunhild hineinzubitten. Als Rita die Zigarette zum Mund führte, zitterte ihre Hand leicht. »Wie lange bist du schon in der Stadt?«
»Eine Weile.« Gunhild blieb in der Türöffnung stehen. Strecktenicht die Hand aus. Die Art, wie sie das Kinn hob, deutete darauf hin, dass noch der gleiche Trotz, vielleicht auch Groll, in ihr wohnte wie beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten. Das war vor fünfunddreißig Jahren gewesen.
»Zurzeit passiert hier ja so einiges, wie man hört. Ich habe mir gedacht, dass dies bestimmt der richtige Ort ist, um Näheres zu erfahren.« Gunhild drängte sich an Rita vorbei und blieb mitten im Wohnzimmer stehen. »Karl ist zurückgekommen und unmittelbar nach seinem Auftauchen getötet worden, heißt es. Die ganze alte Geschichte kommt wieder hoch.« Sie presste die Worte hasserfüllt durch ihre zusammengebissenen Zähne.
»Wie erklärst du dir das, Rita? Und was ist mit meinem Mann? Weißt du da vielleicht etwas, auch wenn man dich damals gerade zu diesem Thema nicht allzu gründlich befragt hat?« Gunhilds Halsschlagader pulsierte kräftig und ihre blauen Augen blitzten vor Hass.
Rita war vor Verblüffung sprachlos, aber nicht lange. »So eine Unverschämtheit! Kommst hierher …« Sie hielt inne, aber dann zischte sie leise: »Ja, du weißt wohl, wie wir dich früher genannt haben, als du allen Männern hinterhergelaufen bist? Wie kannst du es wagen, dich hier reinzudrängeln und mir unerhörte Unterstellungen an den Kopf zu werfen? Gerade du, die du ohne zu zögern über Leichen gegangen wärst, nur um deinen verdammten Willen zu bekommen – über Leichen gegangen bist , sage ich!« Rita war außer sich. »Woher hattest du das Geld für eine Wohnung in Spanien? Aus einigen interessanten, wenn auch unorthodoxen Investitionen, nicht wahr? In Karl? Oder in meinen Vater? Ich nehme an, dass dein kommunistenfreundlicher Mann vielen deiner Pläne doch arg im Wege gestanden hatte!« Rita hatte angefangen hin- und herzulaufen. Dann ging sie schnurstracks zur Tür und riss sie weit auf. »Verschwinde von hier! Es gibt nichts, worüber wir mit dir reden müssten.«
Gunhild Wikan richtete sich kerzengerade auf. »Das wäre aber in jedem Fall klüger. Mir fällt durchaus einiges ein, was ihr lieber mit mir als mit der Polizei diskutieren solltet.« Auf dem Weg zur Tür strich Gunhild nonchalant mit den Fingerspitzen über eine der Lampen. »Deine grenzenlose Eifersucht zum Beispiel. Wie du immer der Meinung warst, Karl stünde dir im Weg.«
Gunhild hielt in der Tür inne und warf Rita über die Schulter einen herausfordernden Blick zu. »Ich erinnere mich gut, was für Geschichten Karl aus eurer Kindheit erzählt hat. Eure Eltern wagten kaum, dich mit deinen Brüdern allein zu lassen, weil man nie sicher war, dir trauen zu können. Du warst eine der Ersten, an die ich gedacht habe, als ich hörte, dass Karl ermordet worden ist.«
Nachdem Gunhild das Haus verlassen hatte, herrschte im Wohnzimmer dröhnende Stille.
Rita Fjeld stand in Johans Wohnzimmer hinter der Gardine und verfolgte, wie
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