Im Auge des Feuers
neuen Einkaufscenter gelegt haben könnte?«
Wikan schwieg und schüttelte langsam den Kopf. »Ich weißnicht mehr darüber als Sie und ich möchte lieber nicht spekulieren. Aber ist es denn nicht wahrscheinlich? Irgendetwas ist jedenfalls schiefgegangen. Die Tür ist zugefallen, er ist nicht mehr herausgekommen.«
»Aber als wir den Brandbericht durchgesprochen haben, haben Sie keine Hypothesen aufgestellt.«
Sverres Gesicht verdunkelte sich. »Ich war da, um Fakten darzulegen, wollte zusammenfassen, was wir gefunden hatten. Welche Theorien ich persönlich hatte, war meiner Meinung nach vollkommen uninteressant. Jedenfalls, solange ich nicht die Spur eines Beweises hatte.«
Eira grübelte einen Moment. Dann wechselte er bewusst das Thema. »Wissen Sie, wie lange sich Ihre Mutter in unserer Stadt aufhalten wird?«
Wikan schüttelte den Kopf. »Ich habe nur das eine Mal mit ihr gesprochen. Da hatte sie sich noch nicht entschieden, hat gesagt, sie wolle ein Weilchen abwarten. Fragen Sie mich bitte nicht nach ihren Beweggründen.« Wikans Telefon klingelte und Eira griff nach seiner Jacke.
Danke für den Kaffee, gab Eira pantomimisch zu verstehen, während Wikan nur nickte und weitertelefonierte.
Sverres Worte schwirrten noch in Eiras Kopf umher. Er kam sich eigenartig beklommen und unkonzentriert vor. Plötzlich war Eira gar nicht mehr klar, aus welchem Grund er Sverre Wikan eigentlich aufgesucht hatte. Eiras Probleme mit Niillas überlagerten die Erinnerung an das Gespräch mit Sverre. Sverres zerrüttetes Verhältnis zu seiner Mutter rief bei Eira irrationale Ängste hervor: Was, wenn Niillas später einmal ebenso kaltherzig über seinen Vater spräche?
Eira zwang sich, Beruf und Privates zu trennen. Sverres Nüchternheit war überzeugend gewesen, er war offensiv und abgeklärtauf Eiras Fragen eingegangen. Aber er hatte etwas zu häufig betont, dass es nichts zu verbergen gebe. Das ließ Eira stutzig werden. Wikan hatte ihm nicht alles gesagt. Eira fragte sich, was ihm vorenthalten worden war. Die Antwort war wahrscheinlich nicht von Sverre zu bekommen. Sverre war seiner Mutter Gunhild gegenüber trotz allem loyal, wie wenig Kontakt die beiden auch pflegen mochten. Vielleicht war Gunhild in eine dubiose Sache verwickelt gewesen. Sie hatte wohl keine einfache Biographie. So, wie Eira Sverres Worte von vorhin interpretierte, hatte Gunhild Oscar Wikan heiraten müssen und diesen Mann möglicherweise nie für gut genug gehalten. Hier tat sich gleich eine ganze Palette von Mordmotiven auf: Hass, Rache, Neid. Oder auch Liebe.
Gunhild Wikan selbst musste die Antworten liefern.
Kapitel 38
»Du meine Güte, sieh dir das an. Jetzt berichten sie seitenweise groß und breit darüber, dass die Polizei die Untersuchungen zu dem Brand von 1969 wieder aufgenommen hat. Woher beziehen die nur immer ihre Informationen?«
Johan Fjeld blätterte frustriert in seiner Zeitung. Rita war vorbeigekommen. Sie waren wieder zu einer Befragung bei der Polizei vorgeladen worden. Die DNA-Analyse des bislang unbekannten Toten aus dem geöffneten Grab hatte ergeben, dass die Person nicht mit der Familie Fjeld verwandt gewesen war. »Verstehst du eigentlich, was die sich dabei denken?«
»Hast du als Einziger nicht mitbekommen, wie Polizei und Medien heutzutage funktionieren?« Sie zog schnell und nervös an ihrer Zigarette. »Wundert es dich wirklich, dass sich die Presse dafür interessiert? Die Polizei gräbt die sterblichen Überreste einer Person aus, die wir und alle anderen fast vierzig Jahre lang für unseren Bruder gehalten haben, und … dann ist es ein Fremder! Für die Journalisten ist das doch ein gefundenes Fressen. Gerade weil unser Name bekannt ist.« Rita legte eine kurze Pause ein. »Aber was ist mit uns? Ich komme mir vor wie am Pranger und traue mich kaum noch in den Laden. Am liebsten würde ich nur noch im Dunkeln rausgehen.«
»Die Sache mit den sterblichen Überresten ist das eine. Ich frage mich allerdings, weshalb sie sich so besessen auf diesen Jahrzehnte zurückliegenden Brand stürzen.«
Rita war nahe daran aufzugeben. »Hör zu, Johan, vor dir sitzt deine Schwester. Du kannst deine Maske ablegen. Wieso tust du so überrascht? Selbst du begreifst wohl, dass rund um den Brand von 1969 etwas nicht stimmt und nie gestimmt hat.«
Sie drückte die Zigarette so fest aus, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. »Herrgott, wie ich es hasse, bei diesen Polizisten zu sitzen. Man wird aufs Übelste verdächtigt und
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