Im Auge des Orkans
von mir abgleiten wie die Regentropfen von meinem Gesicht.
Als ich mich der Anlegestelle näherte,
nahm ich das Gas weg und steuerte zur Seite, doch ich verschätzte mich in der
Entfernung, und es kratzte an der Fähre entlang. Ich packte das Ruder und stieß
mich ab. Dann, nachdem ich den Motor hochgekippt hatte, damit die Schraube
nicht beschädigt würde, ruderte ich zur Rampe. Der Schiffsboden scheuerte über
den Zement, dann lag das Boot still. Ich legte das Ruder unter den Sitz, sprang
ins Wasser, watete zum Bug und zog mit beiden Händen. Die Füße fest in den
Boden gestemmt, zog und zerrte ich mit dem ganzen Gewicht meines Körpers, bis
das Boot soweit an Land war, daß es nicht mehr fortgeschwemmt werden konnte.
Dann richtete ich mich auf. Ein stechender Schmerz durchzuckte mich am Ende
meines Rückgrats, und ich preßte die Hände darauf. Es regnete immer noch
heftig, und Schlamm und Kies flössen die Rampe herunter und auf meine
durchweichten Tennisschuhe.
Mein Gott, dachte ich, wenn ich mir das
Kreuz ausgerenkt habe, kann ich unmöglich richtig sitzen und mit den anderen
essen. Ich würde das Eisgrüne nicht anziehen müssen, sondern könnte gleich ins
Bett kriechen.
Nachdem der Schmerz etwas nachgelassen
hatte, umrundete ich die Fähre und ging auf das rote Licht bei Max’ Hütte zu.
Ein paar Meter von der Tür entfernt stieß ich mir an irgend etwas Hartem das
Schienbein an. Es war der Sägebock, den Max nicht aufgeräumt hatte. Einem
kindischen Impuls nachgebend, trat ich dagegen und fühlte mich danach sehr viel
besser. Mit neuer Kraft schritt ich zur Hüttentür und klopfte.
Nichts rührte sich. Ich trat unter das
verrostete überstehende Dach, und ein Wasserschwall traf meinen Kopf. Offenbar
war ich genau unter einem Loch im Dach gelandet. Ich rief Max’ Namen und
klopfte wieder gegen die Tür. Als alles still blieb, stieß ich die Tür auf und
trat ein.
Der Raum war nicht größer als vier mal
vier Meter. Die Wände waren nicht abgedichtet, und der Wind pfiff durch die
Ritzen zwischen den Brettern. In einer Ecke stand ein zusammengerolltes
Feldbett. Das einzige Licht stammte von einer alten Bodenlampe ohne Schirm. Auf
einem wackeligen Holztisch stand ein Sechserpack Bier, daneben lagen Brot,
Mayonnaise und ein in Plastik abgepackter Fertigaufstrich. Max war nicht da.
Ich stand unter der Tür, wischte mir
den Regen vom Gesicht und musterte das Zimmer. Nur ein Stuhl stand da, der
Klappstuhl, auf dem Max vor der Hütte zu sitzen pflegte. Zu lesen war nichts
da, außer einer abgegriffenen Ausgabe des National Enquirer. Eine
schäbige Ansammlung von Jeans, Hemden und Jacken hing an Nägeln an der Wand. Es
gab keine Fenster, keine Tür zu einem Badezimmer, kein fließendes Wasser, keine
Heizung.
Ich trat weiter in das Zimmer und wrang
mein Haar aus. Das Wasser platschte auf die Bodenbretter. Sofort schämte ich
mich, weil ich Max’ Behausung so mißachtete. Es war keine großartige Bleibe,
aber sie gehörte ihm, während er darauf wartete, daß seine Frau vernünftig
wurde und ihn wieder zu Hause aufnahm. Und dann schämte ich mich noch mehr für
meine Schwester und ihre Freunde, weil sie einen Angestellten so wohnen ließen,
obwohl es im Herrenhaus so viele leerstehende Zimmer gab. Warum konnte Max
nicht —
Von draußen war ein Geräusch zu hören.
Ein Ziehen und Grunzen. War das Max? Ich ging zur Tür und sah hinaus. Alles
wieder still. Kein Mensch weit und breit.
Aber irgend etwas war dort draußen los.
Und wo war Max eigentlich? Nach dem Stilleben auf dem Tisch zu urteilen, war er
dabeigewesen, sich sein Abendessen zu machen.
Normalerweise hätte ich ihn laut
gerufen, doch mein Instinkt riet mir, mich still zu verhalten. Ich glitt durch
die Tür und hielt mich im Schatten des Dachs nahe der Hauswand. Den Regen, der
auf mich herabrauschte, bemerkte ich fast nicht. Die Sichtverhältnisse waren
nicht gut, aber ich bildete mir ein, auf der Rampe links von der Fähre einen
Schatten zu sehen. Er war gebeugt und schien an etwas zu zerren, das auf dem
Boden lag.
Ich schob mich weiter die Hüttenwand
entlang und spähte in den Regen. Dann sah ich einen Mann — groß, mit langem
Haar, das ihm feucht unter einem Schlapphut hervorquoll.
»He!« schrie ich. Was für eine
Dummheit! Der Mann ließ seine Last los und rannte auf die Fähre.
Ich begann, hinter ihm herzulaufen.
Doch plötzlich wirbelte ich herum, weil mir klargeworden war, was ich auf dem
Boden liegen gesehen hatte. Ich rannte zur
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