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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Rampe, ließ mich neben der leblosen
Gestalt nieder und berührte ihr warmes, feuchtes Gesicht. Es war Max Shorkey.
    Er lag auf dem Rücken, sein gutes Auge
starrte leer in den Himmel. Der Regen strömte ihm über das Gesicht. Das Wasser,
das unter seinem Kopf die Zementrampe hinunterfloß, war dunkel verfärbt.
    Mit ungeschickten Fingern zerrte ich an
seinem Ausschnitt und versuchte, den Puls an seinem Hals zu fühlen. Es war
keiner da. Trotzdem, vielleicht konnte ich noch etwas für ihn tun. Ich machte
das Sprechgerät von seinem Gürtel los. Ich würde die Insel rufen und Hilfe
holen. Vielleicht war der Notarzt...
    Aber ich wußte, daß es keinen Zweck
mehr hatte. Ich habe zu oft den starren, kraftlosen Blick eines gerade
Gestorbenen gesehen, um mich zu täuschen. Aber selbst wenn in seinem Körper
noch ein Lebensfunke war, so würde er erlöschen, ehe Hilfe kommen konnte.
    Mit klopfendem Herzen erhob ich mich
und blickte zur Fähre, wo der Mann, den ich überrascht hatte, verschwunden war.
Nichts bewegte sich, nichts war zu hören als der Wind und das Rauschen des
Regens. Ich betrachtete die Sprechanlage, fand die richtige Taste und wollte
sie gerade drücken, als ich einen Laut hörte und auch Bewegung — drüben, wo ich
das Boot liegen gelassen hatte. Es war ein Planschen und Schürfen. Jemand
versuchte, mit dem kleinen Boot zu fliehen.
    Ich ließ das Sprechfunkgerät fallen und
rannte zur Fähre. Ich lief um das Heck, während ich am Ende des Rückens einen
heftigen schmerzenden Stich verspürte, dort, wo ich mich beim Anlandziehen des
Bootes verrenkt hatte.
    Auf der anderen Seite der Fähre prallte
ich auf eine Gestalt, die dort auf mich gewartet hatte. Ich wich zur Seite aus,
schlug einen Haken und rannte die Rampe hinauf. Da packten Hände meine Beine
und rissen mich um. Und dann stürzte ich mit dem Gesicht voran auf den feuchten
Zement...
     
     
     

10
     
    Mein Gott, wie elend ich mich fühlte!
Der Kopf tat mir weh, und alles drehte sich und wackelte hin und her. Bald
würde ich mich übergeben. Wie zum Teufel hatte ich mich so betrinken können?
Alle meine Muskeln waren verkrampft. Ich mußte auf dem Fußboden eingeschlafen
sein, denn mein Rücken schmerzte, und irgend etwas bohrte sich in meine Rippen.
Und überall war es naß, als läge ich in einer Pfütze.
    Ich öffnete die Augen und sah nur
Schwärze. Ich versuchte, mich aufzurichten, und spürte neben mir eine Wand,
gegen die ich mich lehnte. Das Drehen und Wackeln hörte nicht auf. Es war, als
bewegte sich die Wand selbst. Es regnete, und ich war bis auf die Haut naß. War
ich im Freien eingeschlafen?
    Ich konnte noch immer nichts sehen. Ich
ließ die Hände neben mir ins Wasser sinken und spürte Metall, mit Nieten und
Ecken, einige Zentimeter unter der Wasseroberfläche. Ich tastete die Wand ab,
gegen die ich lehnte, sie war geschwungen und kaum mehr als fünfzig Zentimeter
hoch — ein Boot?
    Da erinnerte ich mich — an den toten
Max, den großen Mann, daß ich stürzte. Aber wie war ich hierhergekommen?
    Ich zog mich auf die Knie hoch und sah
mich um. Ich konnte Wasser erkennen, unruhiges, schnell fließendes Wasser — das
Boot trieb auf einem breiten Wasserarm, es schaukelte und kreiste, als würde es
in einen Abfluß gesogen.
    Abfluß? Mit klopfendem Herzen ließ ich
mich auf Hände und Füße nieder und tastete im steigenden Wasser verzweifelt auf
dem Schiffsboden herum, um das Abflußloch zu finden. Ich schluchzte verzweifelt
auf. Meine Finger wurden eisig, fast taub. Ich klammerte mich an den
Mittelsitz, atmete ein paar Sekunden tief und ruhig, und als ich mich wieder in
der Gewalt hatte, schob ich die Hände wieder ins Wasser und zum Heck. Dort
hielt ich sie ganz ruhig und bemühte mich, eine Strömung im Wasser zu erkennen.
Plötzlich spürte ich sie ganz deutlich. Das Abflußloch war genau vor dem
Hintersitz. Der an einer Kette befestigte Stöpsel schwamm frei herum. Ich
packte ihn und schaffte es, ihn in das Abflußloch zu stecken. Mit meiner ganzen
Kraft drückte ich darauf. Jetzt war keine Strömung mehr zu erkennen.
    Mit weichen Knien setzte ich mich auf
den hinteren Sitz. Hoffentlich brachte das unruhige Wasser das Boot nicht zum
Kentern. Als ich mich umblickte, konnte ich am fernen Ufer Bäume ausmachen. Das
Boot hatte viel Wasser übernommen, aber ich hatte keine Möglichkeit, es
auszuschöpfen. Das hatte ich schon festgestellt. Trotzdem würde ich es
sicherlich bis zur Anlegestelle schaffen. Falls ich die Richtung dorthin

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