Im Auge des Orkans
und
bewußtlos geworden. Der Mann hatte mich in das Boot geschafft und den Stöpsel
herausgezogen. Er hatte Reservetank und Schwimmweste entfernt und das Boot
davontreiben lassen, damit ich ertrank. Und wenn ich nur ein paar Minuten
später das Bewußtsein wiedererlangt hätte, würde er Erfolg damit gehabt haben.
Ob man mich im Herrenhaus schon vermißte?
Wie spät war es eigentlich? Ich sah auf das Leuchtziffernblatt meiner Uhr. Die
Zeiger waren auf neununddreißig Minuten nach fünf stehengeblieben.
Aber es mußte schon viel später sein.
Sicherlich nach sieben, Cocktailzeit. Da würden sie gemerkt haben, daß ich
nicht da war. Hatten sie erkannt, daß etwas nicht stimmte, oder angenommen, ich
sei auf Spurensuche irgendwo unterwegs? Aber mein Wagen stand auf der Insel.
Und wenn sie Max mit dem Sprechfunkgerät zu erreichen versuchten, um ihn zu
fragen, ob er mich übergesetzt hätte, würden sie begreifen, daß etwas nicht in
Ordnung war. Denn Max würde sich nicht melden. Sie würden nach uns suchen.
Aber wieso wußten sie, wo sie suchen
sollten? Und was das betraf, wie sollte ich eigentlich das Herrenhaus wiederfinden?
Die Insel war vierzehn Hektar groß und dicht bewachsen. Ich wußte nicht, in
welche Richtung ich mich wenden sollte, und konnte nicht meilenweit laufen. Ich
fühlte mich schwach, mir war kalt. In der Dunkelheit konnte ich .stürzen und
mir ein Bein brechen. Oder ich holte mir eine Lungenentzündung...
Schluß jetzt! befahl ich mir. Was ist
mit dir los? Du willst doch jetzt nicht aufgeben?
Ich schloß die Augen, versuchte, die
Schmerzen in meinen Muskeln nicht zu spüren, und stellte mir im Geist eine Karte
der Insel vor. Da war die Anlegestelle der Fähre. Dort der Baum, in dem die
Puppe gehangen hatte. Dort die Geräteschuppen, die ich vom Boot aus entdeckt
hatte. Und weiter unten die Brückenreste. Okay, überlegte ich, dann gehört das
Herrenhaus etwa hierhin. Und wenn du jetzt aufstehst und in diesem Winkel
losmarschierst, wirst du früher oder später Lichter sehen.
Ich richtete mich auf und atmete tief
durch. Dann erhob ich mich und marschierte los.
11
Wie man mir später erzählte, war es
Evans, der im dunklen Obstgarten über meinen zusammengesunkenen Körper
praktisch stolperte. Das war kurz vor neun Uhr gewesen. Seit Viertel vor acht
hatten sie mich gesucht. Die besorgte Patsy hatte tatsächlich versucht, Max
über das Sprechfunkgerät zu erreichen, als ich zur Cocktailzeit nicht
auftauchte, und keine Antwort erhalten. Stephanie hatte sich erboten, mit einem
der Außenbordmotorboote hinüberzufahren, doch als sie ins Bootshaus kamen,
waren beide nicht da. Und dann hatte Denny sich erinnert, daß ich eine Ausfahrt
vorgehabt hatte. Er und Stephanie ruderten mit dem Ruderboot hinüber zu Max’
Hütte, die verschlossen und einsam dalag. Max’ Laster stand noch da, und da
beide Motorboote fehlten, nahmen sie an, ich sei zu lange ausgeblieben und Max
mich suchen gefahren. Sie waren zurückgerudert und hatten den andern im
Herrenhaus berichtet, und man beschloß, einen eigenen Suchtrupp zu Lande
loszuschicken.
Natürlich war ich anfangs nicht in der
Verfassung, diese Einzelheiten in mich aufzunehmen. Sie hatten mich ins
Herrenhaus getragen — man hatte mich etwa einen halben Kilometer entfernt
gefunden — , mir die nassen Kleider abgenommen und mich in Decken gehüllt auf
eine Couch im Wohnzimmer gelegt. Ich kam zu mir, als Patsy mir Brandy in den
Mund goß. Das meiste davon tropfte auf die Platzwunde am Kinn, wo ich auf die
Zementrampe gefallen war. Ich hatte in Panik um mich geschlagen und geschrien,
man solle den Sheriff rufen. Patsy hatte mich festgehalten und zu Evans gesagt,
daß ein Arzt jetzt wohl das richtigere sei. Er ging, um anzurufen. Patsy hielt
mich immer noch fest, als er zurückkehrte und meldete, die Leitung sei tot.
An diesem Punkt wurde ich wieder völlig
wach. Das erste, was ich sah, war Patsys aschgraues Gesicht mit den besorgt
blickenden Augen und den zusammengebissenen Lippen. Evans blickte ihr über die
Schulter und versuchte, ruhig zu bleiben, was ihm nicht ganz gelang. Denny und
Sam gelang das schon besser. Stephanie spielte die Tüchtige und scheuchte die
Kinder aus dem Zimmer. Angela war ungerührt wie immer. Neal verhielt sich
genau, wie es ihm entsprach — er rang die weißen plumpen Hände, rollte die
Augen und machte Kommentare, die niemand beachtete.
Als ich sie alle so sah, wurde mein
Kopf plötzlich ganz klar. Ich schob Patsy
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