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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ich mochte Angela zwar nicht, aber
als Mörderin sah ich sie nicht.
    Also, überlegte ich, du sprichst Angela
von allem andern los, außer von den Unterschlagungen. Aber du bist nun ziemlich
sicher, daß ein Insider hinter der ganzen Geschichte steckt. Wie steht es mit
den übrigen?
    Denny. Er konnte gewalttätig werden.
Das Urteil, sich von seiner früheren Frau fernzuhalten, bewies das. Er mochte
Neal nicht besonders, aber Ärger mit dem Arbeitgeber war ein schwaches Motiv
für die Sabotage des Projekts.
    Stephanie. Ich wünschte, ich wüßte mehr
über sie. Sie wirkte zynisch. Sie brauchte eine Ortsveränderung, ähnlich wie
Denny, und kam aus Seattle hierher. Kannte sich mit Booten aus. Würde sie etwas
zerstören, das sie fast als ihr Eigentum betrachtete? Aber hatte Denny nicht
irgend etwas davon gesagt, daß Max ihr nicht traute? In welcher Beziehung?
    Neal. Oberflächlich betrachtet erschien
es völlig unlogisch, seinen eigenen Lebenstraum zu sabotieren. Aber benahm er
sich je vernünftig?
    Evans. Freundlich und jungenhaft. Patsy
hatte völliges Vertrauen zu ihm. Und Neal, sein angeblicher Freund, schien zu
glauben, daß Evans ihn mal schlecht behandelt hatte. Wenn ich nur wüßte, was
dahintersteckte...
    Und jetzt eine unangenehme Pflicht:
Patsy, meine eigene Schwester. Eigentlich sollte ich sie kennen, aber wir
hatten in den letzten Jahren so wenig voneinander gesehen. Und seit meiner Zeit
auf dem College hatte ich nicht mehr mit ihr zusammengelebt. Seit ihrer Zeit
als Mutter Erde auf der Farm hatte sie sich stark verändert, war nervös und
nicht belastbar. Was steckte dahinter? Vielleicht war Evans schuld — oder die
Insel. Die konnte jeden fertigmachen.
    Ich zog die Bettdecke höher. Eine Flut
von Schuldgefühlen überschwemmte mich, als ich mir auch nur einen kurzen Moment
meine kleine Schwester als Mörderin vorstellte. Und das Motiv? Ich fand keines.
    Aber ich begriff auch nicht, wer einen
Nutzen davon hatte, wenn er Neal und die anderen von der Insel vertrieb. Die
Absicht war so deutlich zu erkennen, das Motiv so unklar. Es klopfte an die
Tür. Ich rief »Herein«, und Sam tauchte im Türrahmen auf. Er hielt die
Computerausdrucke in der Hand, und seine Augen blickten noch trauriger als
vorhin. »Ich habe genug gesehen«, sagte er. »Kommen Sie mit runter?«
    Ich schob die Bettdecke zurück und
schwang meine Füße auf den Boden. »Mein Verdacht stimmt also«, sagte ich und
zog die Stiefel an.
    »Dies hier sind genügend Beweise, um
sie vor Gericht zu bringen.«
    »Sie müssen es doch nicht offiziell
machen, Sam. Sprechen Sie in aller Stille mit ihr. Sie gibt das Geld zurück und
verschwindet.«
    »Das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Zwischen Freunden gibt es einen
ungeschriebenen Vertrag. Denny sprach mal an einem Abend darüber, als wir
zusammen Brandy tranken — «
    »Ich weiß, wir haben uns auch darüber
unterhalten.«
    »Bis dahin hatte ich mir nie richtig
klargemacht, nach welchen Prinzipien der Freundschaft ich handelte. Jetzt hat
Angela dagegen verstoßen. Ich bin ihr gegenüber zu nichts mehr verpflichtet.«
     
    Bei unserem Eintritt in die Bibliothek
lehnte Angela mit gekreuzten Armen neben den Fenstertüren an der Wand. Die
Jeans und der hüftlange schwarze Rollkragenpullover unterstrichen ihre Größe
noch. Neben ihr sickerte Wasser durch den Riß im Holz der Tür. Jemand hatte ein
Handtuch auf den Boden gelegt. Es war völlig durchweicht. Die Zypressen vor den
Fenstertüren ächzten im Wind, ihre Zweige kratzten gegen die Mauer. Neal saß am
Schreibtisch, Computerausdrucke vor sich auf der Platte. Er fuhr mit dem
Zeigefinger an einer Zeile entlang und runzelte vor Konzentration die Stirn.
    Angela beachtete mich nicht, sondern
sagte zu Sam: »Ich bin froh, daß du kommst. Seit einer Stunde gehen wir diese
Aufstellungen durch, und er begreift den Unterschied zwischen einem Schulden-
und einem Kreditkonto immer noch nicht.«
    Neal schwieg dazu, er ballte und
öffnete nur die Hand.
    Sam schwieg ebenfalls. Er trat an den
Schreibtisch und musterte die Ausdrucke. Angelas Blick wanderte von seinem
Gesicht zu den Blättern in seiner Hand, und sie wurde sehr still. Ich setzte
mich in einen der großen Ledersessel.
    Nun sah Sam zu Angela und sagte:
»Abakus«. Die Härte seines Tons war nicht zu überhören. Neal zuckte zusammen.
Angela wurde steif. »Abakus«, wiederholte Sam. »Warum nicht einfach:
Zahlungen?«
    »Es ist nur ein Kennwort, Sam.«
    »Hm-hm. Und Reg wohl auch?« Er deutete
auf

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