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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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es.«
    »Warum?«
    »Mr. Won hat strenge moralische
Maßstäbe. Das spürte ich, als er bei meinem Besuch bei ihm so mißbilligend von
Angela sprach. Er fand wohl die Formulare oder erwischte Angela dabei, als sie
falsche Rechnungen tippte. Ich glaube, er schrieb den Brief, damit ihre
Aktivitäten entdeckt wurden, ehe sie in zu große Schwierigkeiten geriet.«
    Sam schwieg. Sein Ärger war jetzt fast
greifbar. »Wir werden also den Dingen auf den Grund gehen, und zwar gleich.«
    »Ich bezweifle, daß wir etwas
erreichen, wenn wir Angela jetzt mit unserem Wissen konfrontieren.«
    »Ja. Sie würde alles in Abrede stellen.
Das kann sie großartig.«
    »Aber wenn wir Beweise finden... wenn
sie zweierlei Buchführung macht.«
    »Das wäre möglich. So wie ich Angela
kenne, würde sie über ihre Unterschlagungen bis auf den letzten Penny Bescheid
wissen wollen.«
    »Es muß alles im Computer stecken«,
sagte ich. »Das ist bei weitem der sicherste Ort. Ich bezweifle, daß irgend
jemand auf der Insel mit so einem Ding umgehen kann — außer Ihnen.«
    Er lächelte. Es war kein angenehmes
Lächeln. »Unglücklicherweise ist Angela fast immer in ihrem Büro«, fuhr ich
fort. »Sie schläft im Zimmer nebenan, und jetzt, da ihr Großvater krank ist,
bleibt sie immer in Hörweite, falls er etwas braucht.«
    »Es muß eine Möglichkeit geben, sie
wegzulocken. Ich brauche nicht lange.«
    »Wie wäre es, wenn Neal mit ihr eine
Besprechung abhält? Er könnte behaupten, er möchte die Konten durchgehen, ehe
Sie drei sich zusammensetzen.«
    »Gute Idee. Ich rede mit ihm. Wir
treffen uns in einer halben Stunde in der Halle.«
    Der Bildschirm des Computers glühte
unheimlich in dem dunklen Büro. Ich hatte es ratsam gefunden, kein Licht zu
machen, und so hielt Sam die Disketten in das Licht, das der Computer
verbreitete, um die Aufschriften zu lesen. »Alles sehr seltsam«, sagte er. »Sie
verwendet eine Art Code. Ah — das könnte etwas sein.« Wir suchten schon eine
Weile.
    Computer machen mir Unbehagen. Manchmal
denke ich, daß ein böser Geist in ihnen ist. Manchmal ist dieser Geist den
Menschen gegenüber freundlich gesinnt und hilft ihnen, manchmal neckt er sie
und richtet Schaden an. Natürlich finden meine technisch versierten Freunde das
lächerlich, und vermutlich haben sie recht. Vielleicht ist es nur eine Ausrede,
weil ich den Umgang mit diesem neuen Spielzeug nicht lernen möchte.
    Auf dem Bildschirm erschien eine
Namenliste. »Verdammt«, das ist was Persönliches — die Liste für den Versand
der Weihnachtskarten! Unerhört — mit so was füttert sie den Computer! Dabei
wäre er gar nicht notwendig gewesen...«
    »Beruhigen Sie sich!«
    Sam grinste verlegen, schob eine neue
Diskette ein — sie erinnerte mich an 45-Schallplatten, die mal modern gewesen
waren, nur waren sie kleiner — , drückte auf zwei Tasten, und die Liste, die
diesmal auftauchte, schien mehr mit dem zu tun zu haben, was wir suchten. Es
handelte sich offenbar um Zahlungseingänge und -ausgänge.
    »Da steht Vorsch«, sagte ich.
    »Vermutlich Vorschüsse, die Neal für
Angela und die anderen gezahlt hat.«
    »Und hier steht Abakus. Und Reg.«
    Sam betrachtete nachdenklich den
Bildschirm.
    »Abakus«, sagte ich, »das ist das
Rechengerät, das die Chinesen statt einer Registrierkasse benutzen.«
    »Vielleicht haben wir ihre
Geheimbuchhaltung gefunden!« Sam drückte auf eine Taste, ein Strich fuhr an der
Liste entlang und das Wort Abakus leuchtete auf. Und Reg.
    »Vielleicht steht Reg für Registratur
oder regulär«, überlegte ich. »Vielleicht bedeutet das den wahren
Rechnungsbetrag und Abakus den falschen. Wissen Sie, als ich zum erstenmal in
ihr Büro kam, machte sie einen Scherz über den Abakus. Sie ist Chinesin und so —
«
    »Ich glaube, Sie haben recht. Früher,
während der Schulzeit, haben wir manchmal bei einem Chinesen gegessen, der so
was benützte. Angela behauptete, die Chinesen würden mit dem Abakus die Weißen
betrügen...«
     
     
     

20
     
    Sam ging mit den Computerausdrucken der
beiden Aufstellungen in sein Zimmer hinauf. Die Tür zu Tin Choy Wons Zimmer war
zu, aber nicht abgeschlossen. Ich trat ein.
    Der alte Mann lag still im Bett neben
dem Fenster. Eine Nachtlampe brannte auf dem Tisch neben dem Bett, und die
dünnen Beine des Bettes warfen seltsame Schatten gegen die Wand. Ich legte Mr.
Won vorsichtig die Hand auf die Stirn, die sehr heiß war. Er mußte hohes Fieber
haben. Ein eisiger Luftzug kam vom Fenster. Ein

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