Im Auge des Tribuns: Ein Kriminalroman der etwas anderen Art... (German Edition)
Mann, und nicht bloß als kleines Rädchen in einem immer maroder werdenden System.
Stettler schluckte. Mit einem Mal hatte er wieder alles ganz deutlich vor Augen – so, als wäre es gerade eben erst passiert.
„Er ist mir einfach reingelaufen ...“, fuhr er leise murmelnd fort. „Das viele Geld, die beiden Agenten – es gab ein Handgemenge ...“ Er sah auf. „Ehrlich Lysi, ich hab keine Ahnung, was plötzlich mit deinem Vater los war. Ich hab es bei ihm doch auch gesehen – es, es hätte unsere Chance werden sollen ...“
„So wurde es deine ...“ Nickend nahm Lysann ihr Magazin aus der Waffe und legte es neben sich. „Ich gehe also recht in der Annahme, dass ich deine Zustimmung habe, wenn ich jetzt sagen würde, du schuldest mir ...“, sie stockte, „Herrgott noch mal ...“, genervt die Augen verdrehend griff sie vor sich unter die Oberfläche. „Typisch Mann ...“, seufzend lockerte sie ihre Beinschere, „von wegen fünf Minuten Luft anhalten sind für mich kein Problem – jämmerlich ...“
Kaum gesagt, schoss auch schon prustend und spuckend, das schwarz umrandete zehn Euro Kassengestell dabei mehr oder weniger haltlos auf halb Acht quer im Gesicht hängend, senkrecht jemand nach oben durch die Wasserdecke – Glaser, Stettlers Sekretär.
„Schuldigung Boss ...“, röchelte er nach ein paar ersten tiefen Atemzügen heisern und sich zudem die gequetschten Rippen haltend, „ich hatte absolut keine …“ Doch, noch bevor er seine Situation, wenn auch nur Ansatzweise, weiter erörtern konnte, drückte ihn Lysann mittels eines sauber ausgeführten Kimmengriffs bereits wieder nach unten.
„Äh“, irritiert hob Stettler den Zeigefinger, „hab ich da jetzt richtig ...?“
„Du hast ...“, unterbrach Lysann, die gestellte Frage dabei, vorerst nur knapp, beantwortend. „Leider nicht sehr Konversationsfreudig, der Gute“, ergänzte sie dann etwas ausführlicher. „Aber wie auch immer“, genüsslich die Augen schließend legte sie den Kopf in den Nacken, „Zungenfertigkeit hat ja nicht immer etwas mit Reden zu tun ...“
„Wieso denn auch?“ Stettler holte tief Luft. „Logisch ...“ Ja wirklich, so langsam kam die Zeit, dass er einen Schnaps vertragen konnte.
„Du sprachst da eben von einer Art Schuldeinlösung ...“, versuchte er also behutsam – und möglichst, noch bevor der sich in seinem Mund angesammelte Speichel selbigen Tropfenderweise verließ – zurück aufs Wesentliche zu lenken.
„Nur soviel“, räuspernd fuhr er fort, „solltest du dabei an Geld denken – meine Nachtclubs laufen bei weitem nicht mehr so gut wie noch vor zehn Jahren und äh“, er versuchte ein möglichst leidendes Gesicht aufzusetzen, „so richtig flüssig bin ich auch nicht ... Du müsstest mir also schon ein paar Tage Zeit geben. Wäre das okay für dich?“
„Behalt deine Kohle ...“ Lysann klimperte mit den Wimpern. „Das Grab meines Vaters – okay?“
„Das Grab deines Vaters?“, wiederholte Stettler zweifelnd. „Was? Wieso denn?“
„Ich hoffe doch, es gibt eines ...“, bohrte Lysann weiter, und sah ihn dabei ungeduldig an.
„Natürlich gibt es ein – na ja, nicht wirklich ...“ Stettler räusperte sich erneut. „Es ist ein kleiner Friedhof in Elsass-Lothringen – wo genau, weiß ich auch nicht! Aber“, er holte tief Luft, „wenn dir soviel daran liegt – der Kerl, den ich damals bezahlt ...“
„Es reicht auch der linke Unterarm“, unterbrach Lysann ein zweites Mal.
„Genauer gesagt die Partie zwischen Handgelenk und Ellenbogen. Und natürlich die kleine metallene Kapsel die darin verborgen ist …“
„Die Partie zwischen Handgelenk und Ellenbogen?“ Stettler schluckte.
„Kind, was bitte ...“ Er stockte. Eine Kapsel. Hatte er sich wirklich so geirrt? Nun ergab Georgs geheimnisvolles Verhalten von damals für ihn auch erstmals einen Sinn. Ein Kassenhalter.
„Aber Georg war doch Hauptmann des Forschungsstabes, und nicht bei der Stasi ...“, sprach er seinen Verdacht dann leise aus.
„Armer Sandro ...“ Lysann lachte amüsiert auf. „Du glaubtest wirklich, ihn zu kennen, was?“ Unter Zuhilfenahme ihres Schalldämpfers strichsie sich eine herabhängende Haarsträhne aus dem Gesicht. „Elf Komma drei Millionen D-Mark in Gold, sprich etwas über fünfeinhalb Millionen Euro – festgesetzt in einem Schweizer Nummernschließfach. Fehlen nur noch die erforderlichen Zugangs- und Inhaberdaten ...“
„Fünfeinhalb Millionen Euro – in Gold“,
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