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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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kommen.«
     
    »Darf ich jetzt die Augen aufmachen?«
    »Noch nicht.« Tom beugte sich vor und drückte dem Taxifahrer einen Zwanziger in die Hand. »Behalten Sie den Rest.« Dann öffnete er die Tür und fasste Anna unter dem Arm. »Langsam. Lass dich einfach vom Sitz rutschen.« Er trat auf den Gehsteig, half Anna über die Kante und wirbelte sie herum, bis sie direkt der glitzernden Schaufensterreihe zugewandt war. Es war Samstagnachmittag – auf der Michigan Avenue tobte das Leben. An der gegenüberliegenden Straßenecke tanzte ein gut aussehender Jugendlicher zum Beat eines Ghettoblasters, neben einem Schild mit der Aufschrift: »Student groovt für milde Gaben.« Eine Menschentraube hatte sich um ihn gebildet, die Leute schossen Fotos und klatschten. »Okay. Du kannst gucken.«
    Anna nahm die Hände von den Augen und starrte auf die Ladenzeile. »Die Magnificient Mile?« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wir gehen shoppen?«
    »Das kannst du laut sagen.«
    »Glaubst du, das ist eine gute Idee?«
    »Warum nicht?«
    »Und was, wenn er doch Familie hatte?«
    »Dann geben wir die Sachen eben zurück. Aber ich denke, ein paar Riesen stehen uns so oder so zu. So als eine Art Finderlohn.«
    Sie schirmte die Sonne mit der Hand ab und blickte auf die Schaufenster. Tom sah, wie es in ihr arbeitete, wie sie mit sich rang. Schließlich drehte sie sich um und sagte: »Eine Frage noch.«
    »Ja?«
    »Wo fangen wir an?«
    Es war eine surreale Erfahrung, fünf Riesen in der Hosentasche herumzutragen, mit der festen Absicht, sie auf den Kopf zu hauen. Den ersten Schein aus dem Bündel zu ziehen war nicht leicht. Tom fragte sich instinktiv, was zur Hölle das sollte, warum Anna eine neue Lederjacke für sechshundert, warum er eine neue Sonnenbrille für dreihundert brauchte. Wenig später blätterte er fünf Scheine für ein Paar Stöckelschuhe hin – so langsam kam er auf den Geschmack. Und als Anna sich dann aus einer Umkleidekabine bei Neiman Marcus lehnte – ein Tausendzweihundert-Dollar-Cocktailkleid von Carolina Herrera auf dem Leib, ein durchtriebenes Lächeln auf den Lippen – und ihn mit gekrümmtem Finger zu sich lockte, fühlte Tom sich schon ganz wie zu Hause. Er trat in die winzige Kammer, zog die Tür hinter sich zu und kämpfte gemeinsam mit Anna gegen das Kichern – und kurz darauf gegen das Stöhnen, als er sie gegen den Spiegel presste.
    Danach, über und über mit Tüten beladen, schlenderten sie zur State Street. Eigentlich musste man im Atwood Café eine halbe Stunde auf einen Tisch warten, aber Tom steckte der Dame am Empfang einen Fünfziger zu, und schon saßen sie am besten Platz, in einer Ecke der Terrasse. Fast hätte Tom ein Bier bestellt, doch er besann sich noch rechtzeitig eines Besseren. »Was für Champagner haben Sie hier?«
    Ein süßer Frühlingsduft lag in der Luft, die Sonne glänzte auf den Windschutzscheiben der Taxis und schimmerte in den eleganten Champagnerflöten. Tom seufzte, schloss die Augen und atmete tief ein, als wollte er all das in sich aufsaugen. »So lässt sich’s leben.«
    »Ich könnte mich dran gewöhnen«, sagte Anna.
    Er lachte. »Gewöhn dich lieber nicht zu sehr daran. Wenn wir so weitermachen, sind wir die Vierhunderttausend ganz schnell los.«
    Anna blinzelte ihm über den Rand ihres Glases zu. Sie bestellten und plauderten während des Essens über Belanglosigkeiten. Nachdem er den letzten Bissen Lachs aufgespießt und mit dem letzten Schluck Champagner hinuntergespült hatte, lehnte Tom sich zurück und legte ein Bein über das andere. »In solchen Momenten wünschte ich, ich hätte nicht mit dem Rauchen aufgehört.«
    »Du meinst, wenn du grad innerhalb von zwei Stunden fünf Riesen verschleudert hast?«
    »Man soll aufpassen, was man sich wünscht, was?« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Willst du darüber reden?«
    »Nein, ich finde es gut, dass du mit dem Rauchen aufgehört hast.«
    »Schlaumeier.«
    Anna wickelte ihre restlichen Nudeln mit der Gabel auf und erdolchte eine Krabbe, ließ sie im Mund verschwinden und kaute genüsslich. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Was gibt es da schon zu reden?«
    »Ich will nur sicher sein, dass bei dir alles in Ordnung ist.«
    »Also im Moment geht’s mir ziemlich gut. Wie es einem Mädchen halt so geht, wenn es gerade eine ausgiebige Shoppingtour hinter sich hat.« Anna legte die Gabel auf den Teller und tupfte sich den Mund ab. »Nein, das hat wirklich Spaß gemacht. Aber ich wollte das Geld nicht

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