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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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aufgefallen, dass sie nie glauben können, dass es wirklich passiert? Selbst die Härtesten der Harten wollen es einfach nicht glauben. Dabei ist es doch nichts anderes, als wenn du von einem Bus überfahren wirst. Das kann jedem passieren, jederzeit. Und dem Bus ist egal, was du denkst, ob du bereit bist oder nicht. Der fährt einfach von A nach B.« Er nickte in Richtung Windschutzscheibe. »Die Dame des Hauses.«
    Jack folgte seinem Blick zu dem zweistöckigen Ziegelbau in dreißig Metern Entfernung. Eine Frau trat aus der Tür, die in die Wohnung im zweiten Stock führte. Vorhin, als sie geparkt hatten, war Jack kurz zu dem kleinen Vorraum gelaufen und hatte die Briefkästen gecheckt. Im Erdgeschoss wohnte ein »Bill Samuelson« – kein großer Unterschied zu »Will«, so dass er ganz natürlich auf den Namen reagieren konnte, wenn ihn die Leute so ansprachen. Und im zweiten Stock wohnte ein Pärchen, Tom und Anna Reed. Etwas später hatte ein Typ, bei dem es sich nur um Tom handeln konnte, das Haus verlassen, mit einer protzigen Sonnenbrille auf der Nase.
    Sie sahen zu, wie die Frau die Tür abschloss und die Straße hinunterschlenderte. Die engen Hüftjeans brachten ihren süßen Arsch so richtig schön zur Geltung. Sie stieg in einen Pontiac, ein neueres Modell, und fuhr los.
    Jack fasste nach hinten, tastete herum, bis er die Schrotflinte gefunden hatte, und drückte sie Marshall in die Hand.
     
    Anna konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, wie schnell sie sich daran gewöhnt hatte. An das Geld. Erst vor ein paar Tagen hatten sie es gefunden, und schon fühlte sich alles anders an.
    Zum Beispiel ihr Job. Angesichts der vielen Arbeitszeit, die sie wegen der Klinikbesuche versäumt hatte, wäre sie heute normalerweise besonders früh hingefahren. Sie hätte angefangen, den Berg an E-Mails abzuarbeiten, sie hätte sich bei ihrem Boss eingeschleimt und ein bisschen mit den Kunden geplaudert, um ihnen das Gefühl zu vermitteln, in jeder Sekunde an »ihrem« Projekt beteiligt zu sein, ohne dass sie ihr tatsächlich hineinpfuschen konnten.
    Es hatte mal eine Zeit gegeben, da liebte sie ihre Arbeit. Sie liebte es, bis spät in die Nacht zu schuften, inmitten des Trubels einer Werbeagentur in Downtown Chicago. Sie liebte es, hochhackige Schuhe zu tragen und im einundvierzigsten Stock zu arbeiten, sie liebte die kostenlosen Mittagessen und das gemeinsame Bier am Freitagnachmittag. Aber in letzter Zeit war ihr alles so … sinnlos erschienen. Sechzig Stunden die Woche zu arbeiten, um Werbung zu erschaffen – das einzige Produkt, das sich die Leute gezielt vom Hals hielten.
    Heute Morgen hatte sie die Vorstellung, in die Arbeit zu fahren, einfach nicht ertragen. Also wartete sie, bis Tom aus dem Haus war, rief im Büro an und klagte, dass sie noch völlig fertig sei von den Behandlungen. Dann streifte sie sich ihre Lieblingsjeans über, ging hinunter in den Keller, zog die Tasche mit ihrem Geld hervor und nahm acht Bündel heraus.
    Ihr Geld. Noch so eine merkwürdige Sache: Für Anna war es schon nicht mehr Bill Samuelsons Geld. Von dem Moment an, als sie den Detective angelogen hatte, war das Geld langsam, aber sicher zu ihrem Eigentum geworden. Wenn sie die Augen schloss, tauchten kleine Bilder hinter ihren Lidern auf, Zukunftsvisionen: das Haus abbezahlt, ein kleines Mädchen in ihren Armen, ein zweites auf dem Weg, einmal im Jahr Urlaub in South Carolina, um gemeinsam in den Wellen zu planschen. Nichts Übertriebenes, kein Schickimicki-Leben, keine Partys in Hollywood. Nur eine Familie – und die Sicherheit, die man brauchte, um sie wirklich zu genießen. Das war alles, was sie jemals gewollt hatte.
    Sie setzte den Blinker und bog in die Lincoln Avenue ein. Es war ein wunderschöner Frühlingsvormittag. Auf einmal strahlten grüne Blätter an allen Bäumen, die die Straßen des Viertels säumten, das Sonnenlicht spielte auf den Schaufensterscheiben  – der perfekte Tag, um die Schule zu schwänzen. Anna beschloss, sich ein nettes Mittagessen zu gönnen. Vielleicht würde sie sogar Sara anrufen und fragen, ob sie mitkommen wollte.
    Doch erst musste sie ihre Erledigungen hinter sich bringen. Sie füllte den Tank bis zum Anschlag, schaffte die Wäsche in die Reinigung, machte einen Abstecher in den Baumarkt, um Putzmittel und Wischlappen zu kaufen – und lenkte den Wagen Richtung Osten, Richtung Uptown.
    Es war ein abgestürztes Viertel, eingeklemmt zwischen zwei wohlhabenden Nachbarn – Berge von

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