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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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mit einer ebenso billigen Matratze darauf, die Laken waren zerwühlt, als hätte eben noch jemand darauf gelegen. Das zweite Schlafzimmer hatte Will in einen Trainingsraum umgewandelt, mit einer Gewichtbank in der Mitte und einem überquellenden Aschenbecher daneben. Vom Flur ging eine dunkle Toilette ab, das Klo musste dringend mal geputzt werden. Der Herd in der Küche war verkohlt, die Wand dahinter verrußt – offensichtlich die Quelle des Rauchgestanks. Durch die Hintertür gelangte man auf eine schmale Treppe. »Sieht aus, als hätte er die Kurve gekratzt«, meinte Marshall.
    Ohne zu antworten, drehte sich Jack um, marschierte den Flur hinunter in den Trainingsraum und ließ den Blick durchs Zimmer wandern. Er nahm einen der Zigarettenstummel in die Hand und betrachtete ihn eingehend. Seine weißen Latexhandschuhe färbten sich aschgrau. »Was für ein Arsch raucht denn bitte beim Training?«
    »Ein Arsch wie Will.« Der Jäger in Marshall spürte sein Opfer in diesem Raum. Er sah ihn vor sich, wie er seine Gewichte stemmte und die Pausen zwischen den Einheiten nutzte, um sich eine neue Kippe anzuzünden. Will musste pausenlos unter Strom gestanden haben, immer nervös und schreckhaft. Ständig spürte er diesen Druck hinter den Augen, fühlte sich beobachtet, verfolgt. Und seine Verfolger kamen immer näher. Marshall ließ die Schrotflinte von der Schulter baumeln und inspizierte die Gewichte, die aufgelegt waren. Hundertzwanzig. Was für ein Weichei. »Warum hat er eigentlich nicht die Stadt verlassen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht dachte er, wir hauen zuerst ab.«
    Marshall nickte. Solange Will sicher sein konnte, dass sie ihn nicht finden würden, war es gar keine so schlechte Idee gewesen, sich in diesem Loch hier zu verkriechen. Da die Chicagoer Polizei Doppelschichten fuhr, um Marshall und Jack aufzuspüren, wäre es für sie eigentlich logisch gewesen, sich zu verpissen. Zumal sie nicht mal das Geld hatten, um angemessen unterzutauchen, und der Überfall durch alle Zeitungen gegangen war.
    »Ach, verdammt!«, rief Jack plötzlich und steckte seine .45er ins Schulterhalfter.
    »Wird ’ne Weile dauern, bis wir es gefunden haben.« Marshall zuckte die Schultern. »Aber vielleicht haben wir Glück, und Will kommt vorbei, so dass ihr zwei ein bisschen plaudern könnt.«
     
    In den nächsten Stunden klapperte Anna fünf weitere Currency Exchanges ab – es erschien ihr sicherer, die Beträge aufzuteilen. Als sie fertig war, fuhr sie bei der Klinik vorbei und verpasste der Frau an der Rezeption die Überraschung des Tages.
    Letzte Nacht hatten sie den Plan am Küchentisch ausgetüftelt, bei einer Flasche ultrabilligem Wein. »Das mit den Cashier’s Checks sollte klappen«, meinte Tom. »Die kann man nicht zurückverfolgen. Und wenn wir das Geld nie einzahlen, wenn wir es nie offiziell machen, kriegen die Behörden überhaupt nichts mit.«
    Doch dann war Anna eine noch bessere Idee gekommen. Die Cashier’s Checks waren ideal für die Klinik und die Apothekenrechnungen, das stimmte schon. Aber die Kreditkartenschulden konnten sie direkt in den Currency Exchanges begleichen, indem sie einfach das Geld einzahlten.
    Heute Morgen hatten sie noch fast siebzig Riesen Schulden gehabt. Jetzt, zu Mittag, waren sie schuldenfrei.
    Ein merkwürdiges, aber wundervolles Gefühl. Nicht mal im Traum hatten sie sich vorstellen können, ihre Schulden in den nächsten Jahren loszuwerden. Sie hatten sich in ihr Schicksal gefügt, diese unsichtbare Last auf ewig mit sich herumzuschleppen – und plötzlich waren sie davon befreit. Als ob man auf einen Schlag zehn Pfund abgenommen hätte. Wärme breitete sich in Annas Innerem aus, ein Strahlen, das sie lächeln ließ. Im CD-Player liefen die Mountain Goats, Anna wippte mit dem Kopf und trommelte auf das Lenkrad, während John Darnielle verkündete, dass er dieses Jahr überleben würde, und wenn es ihn umbrachte.
    Sie parkte den Pontiac ein Stückchen die Straße rauf, hängte sich die Handtasche über die Schulter und holte die Tüte vom Baumarkt von der Rückbank. Über ihrem Kopf rauschten Blätter in Hunderten verschiedener Grüntöne, in der Luft hing ein süßer Duft nach Erde und Sonne. Langsam spazierte Anna die Straße hinunter und nahm alles in sich auf, atmete die Schönheit der Welt. Am Haus angelangt sprang sie die drei Stufen zur Veranda hinauf und öffnete die Tür zum Vorraum, während sie vor sich hin summte. So gut hatte sie sich seit Jahren nicht mehr

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