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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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Moment fiel Anna das Einschussloch in der Decke ein. Ihr Blick huschte nach oben, doch sie fing sich noch rechtzeitig und schaute nach unten – wo sie einen Messingzylinder entdeckte. Verdammt, der gehörte zu der Patrone, das war diese Hülse, die bei jedem Schuss davongeschleudert wurde. Die Patronenhülse lag auf dem Holzboden, zehn Zentimeter neben Bradleys linkem Fuß. Anna räusperte sich. »Danke. Kann ich Ihnen und Ihrem Kollegen vielleicht einen Kaffee anbieten?«
    »Nein danke, Ma’am.« Bradley wippte auf den Fersen vor und zurück, seine wässrigen Augen wanderten durchs ganze Zimmer. Anna ertappte sich dabei, wie sie über ihn nachdachte. Wie mochte sein Leben aussehen? Geschieden mit zwei Kindern, wegen der Alimente muss er nebenbei als Sicherheitsmann im Stripclub arbeiten … Sie wunderte sich über diese merkwürdigen, unbegründeten Gedanken, während der Cop gelangweilt von einem Bein aufs andere trat. Anna schickte ein stummes Gebiet zum Himmel, dass seine Schuhe nicht die Hülse streiften.
    Die Badezimmertür öffnete sich und Tom kam heraus, mit frisch gewaschenem Gesicht und ordentlich gekämmten Haaren. Die linke Hand hielt er hinter dem Rücken, wie ein Politiker, der sich auf eine Rede vorbereitet. Jetzt lächelte er. »Das tut mir wirklich schrecklich leid, Officer.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken, so was passiert andauernd.«
    Aus dem Flur ertönte ein kurzes Bellen – der jüngere Cop, der bestätigte, dass das Schlafzimmer frei war. Bradley schüttelte den Kopf und rief: »Warum gehen wir nicht einfach und lassen die netten Leute in Ruhe?«
    »Aber, Sergeant, ich muss doch sicherstellen –«
    »Schon gut, mein Junge.« Bradley drückte einen Knopf auf seinem Funkgerät. »Fehlalarm. Haben aus Versehen den falschen Code eingegeben.«
    Anna legte den Arm um Toms Hüfte. »Kann ich Ihnen wirklich keinen Kaffee anbieten?«
    Der blonde Cop trat ins Zimmer, die Pistole hatte er wieder eingesteckt. »Dürfte ich kurz Ihre Toilette benutzen?«
    Anna spürte, wie sich ihr Lächeln verkrampfte. Am liebsten hätte sie geschrien: Haut ab! Haut ab, alle beide, haut ab, haut AB! Aber natürlich schrie sie nicht. »Selbstverständlich, Officer.« Sie musste ihren ganzen Willen zusammennehmen, um die Augen geradeaus zu halten, statt auf die Decke oder den Boden zu blicken. Immer wieder sagte sie sich, dass das keine Detectives waren, sondern ganz normale Cops, die bestimmt nicht wussten, was hier letzte Woche vorgefallen war. »Ich habe so ein schlechtes Gewissen. Sie beide haben sicher Wichtigeres zu tun.«
    »Wir waren sowieso in der Gegend.« Bradley räusperte sich. »Allerdings wird Ihnen die Sicherheitsfirma den falschen Alarm in Rechnung stellen.«
    »Wirklich?«
    »Ja, dürfte so um die Zweihundert kosten.« Der Cop zuckte die Achseln. »Ganz schön teuer, ich weiß, aber so arbeiten die nun mal.«
    »Tja, da kann man nichts machen«, meinte Anna, während sie an Jack dachte, wie er durch die Hintertür geflohen war. »Das geht schon in Ordnung, finde ich.« Sie hörte die Klospülung, das Rauschen des Wasserhahns, und dann erschien der junge Cop im Flur, die Hände noch immer am utensilienbehangenen Gürtel. Als sich die beiden Polizisten zum Gehen wandten, stupste der Stiefel des Sergeants die Patronenhülse an – und ließ sie kreiseln. Anna handelte schnell. Sie trat einen Schritt vor und stellte einen Fuß auf die Hülse, um das dünne Sirren zum Verstummen zu bringen. Ihr Lächeln verschwand nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde.
    Endlich schloss sich die Tür hinter den beiden Cops.
    »Wo ist das Geld?«, fragte Tom sofort.
    »Im Auto.«
    Sein Unterkiefer klappte nach unten. »Du hast dreihundert Riesen im Auto verstaut?«
    »Erst wollte ich das Geld bei Sara unterbringen, aber dann dachte ich …« Sie zuckte mit den Schultern. Auf einmal kam ihr das alles ziemlich dumm vor. »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich habe ich überhaupt nicht genug nachgedacht. Ich wollte es dir ja nicht wegnehmen, wie gesagt. Aber als ich es erst mal da rausgeholt hatte, ergab es irgendwie keinen Sinn mehr, es wieder zurückzulegen. Dann wollte ich ein Schließfach mieten, aber mit meinem Job und allem …« Sie zuckte wieder die Schultern.
    Tom schloss die Augen und massierte sich die Stirn. »Schon klar.« Er hielt die linke Hand mit der rechten und unterdrückte ein Zucken.
    »Du musst zum Arzt.«
    »Wir halten auf dem Weg bei der Apotheke.«
    »Auf dem Weg wohin?«
    Das W Hotel am Lake

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