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Im Bann der Gefuehle

Im Bann der Gefuehle

Titel: Im Bann der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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glaubst du, wie ich sonst meinen Job gemacht hätte? Nur weil ich …“
    „Nur weil du was?“, hakte er nach, als sie stumm blieb.
    Carys umfasste ihre aufgestellten Knie mit beiden Armen. „Ich habe deinen kostbaren Vertrag eben nicht gelesen“, behauptete sie und sprach dabei viel zu schnell, um glaubwürdig zu klingen. „Ich war erschöpft, gestresst und …“ Die Pause schien sich unendlich in die Länge zu ziehen. „Ich habe eine Dyslexie“, stieß sie schließlich hervor. „Darum trage ich auch oft eine getönte Brille. Sie hilft mir dabei, Buchstaben zu fokussieren. Aber manchmal, wenn ich müde bin oder der Text sehr geballt und komplex ist, kann ich ihn unmöglich aufnehmen. Die Zeilen verschwinden vor meinen Augen, und die Wörter purzeln alle durcheinander. Bei juristischen Beiträgen ist es ganz besonders schlimm.“
    Die folgende Stille dröhnte fast schmerzhaft in ihren Ohren.
    Alessandros Herz krampfte sich zusammen, als er sah, wie schwer ihr diese Offenbarung fiel. Er wollte die Hand ausstrecken, Carys Trost spenden, doch er ahnte, dass seine Berührung in diesem Moment nicht willkommen war.
    Ihre Lippen zitterten, während sie sich mühsam ein Lächeln abrang. „Davon habe ich nicht gerade vielen Menschen in meinem Leben erzählt.“
    „Aber mir schon, oder? Früher, als wir zusammen waren?“ Alessandro fühlte es, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte.
    „Ja, natürlich hast du es gewusst.“
    Natürlich. Sie hatten sich eben doch so nahegestanden, dass man nicht nur Leidenschaft, sondern auch Geheimnisse miteinander teilte. Wieder einmal hatte er das Gefühl, an einem schwarzen Abgrund zu stehen und in die Tiefe zu blicken.
    „Ich lese ja auch die Zeitung, nur eben wesentlich langsamer als andere Menschen. Und auch das ist noch von Tag zu Tag verschieden.“
    „Verstehe.“ Mit Unbehagen dachte Alessandro daran, wie er Carys zur Unterzeichnung des Vertrags gedrängt hatte, obwohl er genau wusste, wie müde und erschöpft sie war. „Es tut mir aufrichtig leid. Ich habe mich blöd verhalten.“
    „Nicht annähernd so blöd wie andere Leute“, erwiderte sie scharf und sah ihm direkt in die Augen. „Weißt du, wie viele Menschen mich für geistig minderbemittelt halten, nur weil ich nicht so schnell lesen kann? Ich gehörte immer zu den Schlechtesten in der Schule.“
    „Kinder können sehr grausam sein“, warf er mit dünner Stimme ein, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen.
    „Nicht nur Kinder. Mein eigener Vater ist Hochschulprofessor, meine Mutter leitete damals eine Firma. Meine Geschwister sind allesamt erfolgreiche Akademiker, die es als äußerst schwierig empfanden, sich auf mich einzustellen. Ich war schlichtweg nie gut genug.“
    „Sich auf dich einstellen?“, rief er gereizt. „Sie hätten dich ermutigen und auf dich achtgeben sollen!“
    Traurig schüttelte Carys den Kopf. „Sie waren immer mit ihren eigenen Sachen beschäftigt.“
    Viel Unterstützung hatte sie ganz offensichtlich nicht von ihrer Familie erhalten, und dieser Gedanke machte Alessandro unsagbar wütend. Seiner Ansicht nach hatten Kinder ein Recht darauf, dass nicht nur ihre Grundversorgung gesichert war.
    Plötzlich fiel ihm auf, wie viel er und Carys gemeinsam hatten. Beide waren schon sehr jung gezwungen gewesen, sich emotional allein durchzuschlagen.
    „Ach, Carys.“ Jetzt zog er sie doch entschlossen an sich und drückte ihren Kopf gegen seine breite Brust. „Mach dir nicht so viel daraus. Du kannst stolz auf deinen Job sein, und vor allem bist du eine ganz fantastische Mutter. Die beste, die ich kenne. Man braucht nur Leo anzusehen, um zu wissen, wie gut du deine Sache machst. Und du bist mutig. Deine Dyslexie hat dich nicht davon abgehalten, dich weiterzubilden und deinen eigenen Weg zu gehen. Das allein macht dich schon zu einer ganz besonderen Frau, tesoro . Vergiss das nie!“
    Behutsam streichelte er ihren Rücken, bis er merkte, wie sie sich zunehmend entspannte. Aber er wollte sie nicht loslassen, sondern weiter in seinen Armen halten, sie wiegen und trösten und für das entschädigen, was sie hatte durchmachen müssen.
    Er dachte daran, was sie in ihrer Hochzeitsnacht zu ihm gesagt hatte: Ich glaube dir, dass du mir treu warst, Alessandro. Fällt es dir wirklich so wahnsinnig schwer, mir das gleiche Vertrauen entgegenzubringen?

11. KAPITEL
    Sehr viel später, als sie – verausgabt vom Liebesspiel – nebeneinander im Bett lagen, fragte Alessandro endlich nach der

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