Im Bann der Leidenschaft
rosigen Lippen. »Sehr schön …« Was er meinte, verriet der Klang seiner Stimme deutlich genug, und Zena errötete. Er hob eine Hand, wollte ihre Wange berühren, hielt aber inne, wie sie erschrocken zusammenzuckte. »Verzeih mir, dushka«, bat er belustigt, »ich habe versprochen, dich nicht anzufassen. Fürchte dich nicht vor mir. Das würde meinem Ruf als bonvivant schaden. Seien wir doch Freunde. Glaub mir, ich bin ganz harmlos.«
Gegen ihren Willen erwiderte sie sein Lächeln, ebenso unfähig wie zahlreiche andere Frauen, seinem Charme zu widerstehen.
»Also sind wir Freunde?« Sie nickte, und sein fröhliches, jungenhaftes Gelächter erschien ihr mindestens ebenso anziehend wie das kalkulierte verführerische Lächeln. »Brechen wir auf, Ivan!« rief er.
In zügigem Tempo fuhr die Troika durch belebte Moskauer Straßen. Zena genoß das Gefühl, behütet zu werden, und kuschelte sich noch tiefer in die luxuriösen Pelzdecken. Obwohl ihr der Prinz – trotz der unfaßbaren Ereignisse der letzten Nacht – immer noch fremd war, gewann sie den Eindruck, er stünde ihr irgendwie nahe. Normalerweise lernt man sich erst mal kennen, bevor man miteinander ins Bett geht, überlegte sie. Angesichts der Umstände hatte sie kein Recht, glücklich zu sein. Aber sie war es und warf Alex einen strahlenden Seitenblick zu. »Ist das nicht ein himmlischer Morgen?«
Nachdem er in den vergangenen vierundzwanzig Stunden zuviel Alkohol getrunken hatte, konnte er diese Meinung nicht teilen. Doch er beschloß, seine pochenden Schläfen zu ignorieren, und stimmte zu: »Gewiß, meine Süße.« Wenn du wieder in meine Arme sinkst, wird’s noch viel himmlischer, dachte er. »Würdest du mir nochmal deinen Namen nennen?«
Verblüfft runzelte sie die Stirn. Wenn ein Mann mit einer Frau schlief, sollte man eigentlich erwarten können, daß er sich ihren Namen merken würde.
Alex mimte den Zerknirschten. »Da Bobby mehrmals erwähnt wurde, weiß ich, wie er heißt. Aber als du dich gestern abend vorgestellt hast, war ich etwas angeheitert. Deshalb habe ich deinen Namen leider vergessen. Selbst wenn ich nüchtern bin, gleicht mein Gedächtnis einem Sieb. Verzeihst du mir?«
»Natürlich. Ich heiße Zena Turku.«
»Wie hübsch das klingt …« Um seine Augen vor dem viel zu grellen Winterlicht zu schützen, senkte er die Lider und lehnte den schmerzenden Kopf an die Polsterung. Verdammt, er war so müde, und er sehnte die friedliche Idylle seiner Datscha herbei.
»Tut dein Kopf weh?« fragte Zena, die ihren Vater oft genug in einem ähnlichen Zustand gesehen hatte. »Mein Papa trank immer Limonade mit Honig, um solche Beschwerden zu lindern.«
In meinem Fall würde ein alkoholisches Getränk besser wirken, überlegte er und murmelte eine unverständliche Antwort. Was für ein erstaunliches Mädchen – keine Hysterie, kein Gejammer … Wie viele Mademoiselles würden den Wüstling, der sie vor wenigen Stunden verführt hatte, so freundlich behandeln? Plötzlich kam ihm ein unangenehmer Gedanke. Hatte sie das alles geplant? Immerhin war sie spätabends, zu einem höchst unkonventionellen Zeitpunkt und auf ungewöhnliche Weise in sein Leben getreten. Er öffnete ein Auge, musterte sie mißtrauisch, und ihre naive Miene zerstreute seinen Verdacht. Zudem war sie eine Jungfrau gewesen. Wenigstens daran erinnerte sich sein benebeltes Gehirn. Großer Gott, was konnte sie schlimmstenfalls schon verlangen? Viel teurer als seine früheren Geliebten würde sie ihn nicht kommen, und er durfte einen unterhaltsamen Urlaub genießen. Sicher war es eine nette Abwechslung, eine junge Unschuld in die Freuden der Liebe einzuweihen, nach all seinen Affären mit erfahrenen Frauen.
Mittlerweile hatten sie die Stadt verlassen. Da er Zena nicht zur Konversation ermutigte, schwieg sie, während das Gespann den Schlitten durch einen verschneiten Birkenwald zog. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sich der Prinz nicht für sein Verhalten entschuldigt hatte. Offenbar fand er die Episode belanglos. Eigentlich müßte sie ihm zürnen. Statt dessen dachte sie an das unglaubliche Entzücken, das sie in seinen Armen genossen hatte, und ihr Herz schlug schneller.
War sie dumm und unreif genug, um sich von einem attraktiven Gesicht und einem wohlgeformten, kraftvollen Körper den Kopf verdrehen zu lassen? Offensichtlich. Aber statt Reue zu empfinden, lächelte sie verträumt. Warum sollte sie sich auch grämen, wo sie doch vor ihrer bösartigen Tante und dem
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