Im Bann der Leidenschaft
sich Bobbys Zustand bessern würde! Sorg dich nicht um deine Tugend. Was du unwiederbringlich verloren hast, kannst du kein zweites Mal verlieren.« Als er ihre Verlegenheit bemerkte, erfaßte ihn ein leichtes Unbehagen, das er entschlossen verdrängte. »Außerdem bin ich sicher ein angenehmerer Bettgefährte als General Scobloff.«
Eisiges Schweigen folgte seinen Worten. Den Kopf halb abgewandt, starrte Zena die Wand an. »Bei mir wirst du dich wohl fühlen«, flüsterte er in die kastanienroten Ringellocken an ihrem Nacken. »Meine Datscha liegt völlig abgeschieden, und ich werde dich im Sonnenschein lieben – und vor dem Kaminfeuer, dushka.«
Zögernd gestand sie sich ein, daß sie bereit war, den charmanten Prinzen überallhin zu begleiten – obwohl sie ihn erst seit wenigen Stunden kannte.
»Denk doch an Bobby!« mahnte er eindringlich. »Bald wird er genesen. Er soll die beste ärztliche Versorgung erhalten – alles, was man mit Geld kaufen kann.« Weil er ahnte, wie innig sie ihren Bruder liebte, zielte er auf die verwundbarste Stelle ihres Herzens. »Sei mein Gast, nur für ein paar Tage – bis es deinem Bruder bessergeht. Und um deine Bedenken zu zerstreuen – ich werde dich nicht anrühren, bei meiner Ehre.« Solange du nicht willst, dachte er zuversichtlich.
Verwirrt schaute sie ihn an und verstand nicht, daß er ihr dieses Versprechen nur gab, weil ihn seine unerschütterliche Selbstgefälligkeit dazu bewog. »Also gut«, sagte sie leise und redete sich ein, sie würde sein Angebot nur Bobby zuliebe annehmen. Aber eine innere Stimme flüsterte ihr zu, es würde noch andere Gründe geben, die sie nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnte.
»Wunderbar, meine Süße!« Der Prinz gestattete sich ein triumphierendes Lächeln und streichelte ihre Wange. »In vierzig Minuten werden wir den Moskauer Bahnhof erreichen.«
5
Alex hielt Bobby fest, den er in einen Zobelpelz gewickelt hatte. Da Zena trotz ihres schäbigen Kleids ganz offensichtlich die Mutter des erlauchten Kindes war, bot ihr der Bahnhofsvorsteher ehrerbietig den Arm. Auch in Moskau wurde die kleine Reisegesellschaft des Prinzen von mehreren Beamten und Gepäckträgern vom Bahnsteig zur Straße eskortiert, mit jenem devoten Eifer, den nur ein unermeßlicher Reichtum bewirken konnte.
Lässig schlenderte er zu zwei sehr eleganten, von schwarz uniformierten Polizisten bewachten Troikas. Diese Sonderbehandlung, an die er sein Leben lang gewöhnt war, beanspruchte er ebenso selbstverständlich wie alle anderen Privilegien. Ivan verteilte das großzügige Trinkgeld seines Herrn. Dankbar halfen die Männer dem Prinzen, Zena und Bobby in den kirschroten Schlitten, während die Dienerschaft in den taubenblauen stieg.
Ihren kleinen Bruder im Arm, saß Zena auf der mit Samt bezogenen Polsterbank neben dem Prinzen. Schläfrig lehnte Bobby den Kopf an ihre Schulter. Mehrere Pelzdecken wärmten die drei Reisenden.
Trotz der fragwürdigen Situation befand sich Zena in freudiger Stimmung. Nur kurzfristig hatte sie sich ihrer verlorenen Unschuld geschämt. Ihr jugendlicher Optimismus besiegte die Zerknirschung.
Wie der Prinz sehr richtig betont hatte, würden Gewissensbisse oder ein zukünftiges tadelloses Verhalten die Jungfräulichkeit nicht zurückgewinnen. Und sie war meilenweit von General Scobloff entfernt, der ihr die Tugend vermutlich sowieso bald geraubt hätte. Wenn man zu skrupelloser Pragmatik gezwungen wurde, durfte man den Verlust der Unschuld als verhältnismäßig geringes Übel ansehen. Es war einfach schon in der vergangenen Nacht geschehen statt in der nächsten Woche, und sie mußte ihr Leben nicht an der Seite eines alten Scheusals verbringen. Bald würde sie sich mit Bobby in die Obhut ihres Großvaters begeben und das Leid der letzten drei Jahre vergessen.
Rastlos tänzelten die drei Pferde, die ein Straßenjunge am Zügel hielt. Alex beugte sich vor und erteilte Ivan einige Befehle. Zum erstenmal sah Zena den Prinzen im Tageslicht. Voller Bewunderung musterte sie sein markantes Profil vor dem grauen Januarhimmel, beobachtete die Fältchen, die sich im Augenwinkel bildeten, als er über eine Antwort seines Dieners lachte. Dann lehnte er sich zurück und begegnete ihrem forschenden Blick. Verlegen schaute sie nach vorn. »So schöne Pferde!« bemerkte sie, um Konversation zu machen.
»In der Tat.« Wohlgefällig betrachtete er ihr zartes, von kastanienroten Locken umrahmtes Gesicht, die leuchtend blauen Augen, die vollen
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