Im Bann der Leidenschaften
der Hotelbus, um uns zum Flughafen zu fahren. Uns … Gibt es das noch? Nicht für mich.
Immer noch zitternd, krieche ich wieder aus dem Bett und stelle mich nochmals unter die Dusche. Dieses Mal dusche ich heiß. Langsam wärmt sich meine Haut auf, doch weder das warme Wasser, noch mein sonst so geliebtes Organgenduschgel vermag meine Lebensgeister zu wecken. Innerlich friere ich noch immer. Einzig das Zähneklappern verebbt.
Ich trockne mich notdürftig ab und wickele den aufgeweichten Verband von meinem Fuß. Mit letzter Kraft klettere ich in meine bequemen Reiseklamotten, schlinge mir ein trockenes Handtuch um den verletzten Fuß, schnappe meine Beuteltasche mit den Papieren darin und verlasse das Penthouse. Dieses Mal nehme ich den Aufzug, nicht die Außentreppe. Als ich unten ankomme, setze ich mich auf eine niedrige Mauer und warte. Meine Augen fixieren eine Hibiskusblüte, die im Morgendämmern dunkelrot erscheint. So groß, so schön, so einzigartig – und doch ist die Blüte nur eine von vielen.
Wieviel Zeit vergangen ist, als der Hotelbus wenige Schritte von meinem Warteplatz entfernt bremst, kann ich nicht sagen. Ich schleppe mich in den Wagen, lasse mich auf den hintersten Sitz fallen und lege beide Füße hoch, damit niemand neben mir Platz nehmen kann. Der Fahrer holt meinen und Philippes Koffer aus dem Penthouse und verstaut ihn im Kofferraum hinter der Rückbank.
„Ihr Mann wartet an der Rezeption“, informiert er mich und fährt los.
Ich nicke dem Hotelangestellten dankend zu, denn er kann schließlich nichts dafür, dass mein Leben nur noch ein Trümmerhaufen ist.
Als Philippe vor dem Rezeptionsgebäude einsteigt, behalte ich die Augen geschlossen. Ich kann seine Blicke auf meinem Gesicht spüren, doch ich halte es für besser, ihm jetzt nicht in die Augen zu sehen. Irgendwann während der Fahrt muss ich eingeschlafen sein, denn als der Hotelbus wieder hält, sind wir bereits am Flughafen.
Der Fahrer drückt Philippe unsere Rollkoffer in die Hände. Ich lasse es zu, denn mit meinem Fuß bin ich kaum in der Lage, mich selbst zu befördern, geschweige denn, dass ich einen Koffer ziehen könnte. So schnell ich kann, humpele ich zum Flughafengebäude. Glücklicherweise liegt hier auf der Insel alles nah beieinander.
Irgendwie überstehe ich auch das Einchecken und die Wartezeit, ohne Philippe in die Augen zu sehen oder ein Wort mit ihm zu wechseln. Nur einmal, am Check-In-Schalter, fällt mein Blick auf seinen Koffer und ich denke an das knisternde Paket, das er sicherlich darin transportiert, und das angeblich ein Geschenk für mich enthält.
Als Philippe mir im Flugzeug mit der Tasche hilft, lasse ich es zu und danke ihm mit einem wortlosen Nicken. Ich versuche, ihm nicht zu nahe zu kommen, will weder seinen Geruch in meiner Nase haben, noch seinen Körper betrachten. Er trägt dieselben Jeans wie auf der Hinfahrt. Mehr will ich nicht sehen und ich wende meinen Kopf ab. Noch immer fühle ich kein Bedauern über die Eiseskälte zwischen uns, warte allerdings darauf, dass meine Gefühle sich melden. Irgendwann müssen wir wieder miteinander reden. Allerdings noch nicht jetzt, wo hinter der Funkstille in meinem Gehirn ein Orkan brodelt.
Im Flugzeug ist es leicht, Philippe aus dem Weg zu gehen. Als wir die Flughöhe erreicht haben, kuschele ich mich in meinen Liegesitz und setze mir den Kopfhörer auf. Auf das Unterhaltungsprogramm von Air France ist Verlass. Wie auf dem Hinflug wähle ich einen Kinderfilm. Überraschenderweise bekomme ich sogar etwas mit von dem Film, in dem ein kleiner Waisenjunge in einem Pariser Bahnhof lebt, und am Ende weine ich vor Rührung.
Das ist der Zeitpunkt, zu dem Philippe mich anspricht.
„Ich weiß, dass ich es nicht wieder gut machen kann, aber es tut mir so leid, was ich getan habe.“
Ich schlucke die Tränen wegen des rührenden Films hinunter und nehme den Kopfhörer von meinen Ohren. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als Philippe anzusehen. Seine blauen Augen wirken grau, das Augenweiß ist von feinen roten Äderchen durchzogen. Trotz der Bräune, die Philippe in den vergangenen Tagen getankt hat, wirkt er blass, vielleicht weil sein Gesicht schmerzvoll verzerrt ist.
„Was hast du denn getan?“ Plötzlich extrem nervös, drehe ich das dünne Kabel des Kopfhörers zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Nach der Massage war ich mit meinen Gedanken bereits wieder bei der Arbeit. Außerdem musste ich noch an das Geschenk für dich kommen, ohne
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