Im Bann der Leidenschaften
dessen Blick immer noch dunkel auf mir ruht. Ein Schauder nach dem anderen jagt er mir mit diesem Blick durch den Körper. Ich habe das Gefühl, mich nicht mehr lange auf den Beinen halten zu können, obwohl es gerade nicht mein Fuß ist, der mich quält.
Mel schüttelt den Kopf. „Wir sind kein Paar, wenn du das meinst. In den vergangenen Tagen ist er allerdings zu einem Freund geworden. Jerôme ist ein großartiger Kerl. Schade, dass es zwischen ihm und mir nicht funkt. Ich glaube, ich bin ihm zu dünn. Und er ist mir zu dominant. Oh Annie, wenn du hörst, was ich dir zu erzählen habe, fällst du um. Aber zuerst du. Wie waren die Flitterwochen?“
Voller Erwartung strahlt Mel mich an.
Mir ist, als zöge sich mir der Boden unter den Füßen weg. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass die Flitterwochen vorüber sind. Es wäre mir wesentlich lieber, Mel würde noch ein wenig von sich erzählen. „Schön. Das Wetter war großartig.“
„Schön? Großartiges Wetter?“ Mel könnte wohl kaum verdatterter gucken. „Das scheinen ja wundervolle Flitterwochen gewesen zu sein. Nicht zur Nachahmung empfohlen, oder was? Hattet ihr Streit?“
Ich nicke und schüttele den Kopf, und dann strömen mir auch schon die Tränen über das Gesicht.
„Annie!“ Mel umschlingt mich erneut. „Philippe? Was ist mit Annie los? Sie ist ja ganz fertig.“
Schnell wische ich mit dem Ärmel meines Mantels über meine Augen. Jerôme reicht mir eines seiner bestickten Stofftaschentücher. Mit zitternden Fingern nehme ich es entgegen und presse es vor mein Gesicht. Der für Jerôme so typische Moschusduft, der von dem weißen Taschentuch ausgeht, gibt mir den Rest. Laut schluchzend breche ich mitten in der Ankunftshalle des Flughafens zusammen.
„Die Reise war anstrengend“, murmelt Philippe, bevor er neben mir niederkniet und einen Arm um mich legt. „Sie hat wenig geschlafen, der Klimawechsel. Sie ist diese Reisen nicht gewohnt. Während des Fluges hat sie kaum etwas gegessen und getrunken. Annie, kannst du aufstehen?“
In dem Moment spüre ich, wie sich zwei kräftige Hände unter meine Achseln durchschieben, mein Taille umfassen und mich hochziehen.
„Was ist mit ihrem Fuß?“, fragt er, an Philippe gerichtet, und lädt mich auf seine Arme.
„Er musste genäht werden. Annie ist in eine Scherbe getreten.“
„Und warum wurde die Verletzung nicht fachmännisch versorgt?“ Jerôme klingt wie ein Kommissar, der einen Verdächtigen verhört. Auch Mels Augen sind forschend auf Philippe gerichtet.
„Der Verband ist heute Morgen abgegangen“, sage ich schwach. „Kurz bevor uns der Hotelbus abgeholt hat. Es war keine Zeit mehr für einen Arzt.“
„Um einen Fuß zu verbinden, braucht man keinen Arzt“, blafft Jerôme und setzt sich, mit mir auf den Armen, in Bewegung. Mel läuft mit klappernden Absätzen neben uns her, Philippe folgt uns mit den beiden Rollkoffern und meiner Beuteltasche.
„Lass mich runter“, fordere ich Jerôme halbherzig auf. „Ich bin zu schwer für dich. Du wirst dir einen Bruch holen. Mir ist auch schon wieder besser. Ich kann laufen.“
„Klappe!“, bestimmt Jerôme und bugsiert uns ohne jemanden anzustoßen durch eine Menschenmenge. „Im Vergleich zu mir ist jeder leicht und dünn.“
„Das stimmt“, kichert Mel. „Gestern war er im Fitnessstudio auf der Waage. Oh oh. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so schlank ist und trotzdem mehr als hundert Kilo wiegt. Aber er ist ja auch ein Riese.“
„Ihr seid zusammen im Fitnessstudio gewesen?“, frage ich verdutzt.
„Ja, im Sept Roses gibt es eins. Ich wohne dort in Jerômes Gästezimmer. Solange bis ich was Eigenes gefunden habe.“
„Du wohnst in Jerômes Gästezimmer?“ Ich habe das Gefühl gar nichts zu verstehen. Das Sept Roses ist Jerômes Hotel. Warum spricht Mel von einem Gästezimmer?
„Ich wohne in meinem Hotel“, löst Jerôme das Rätsel.
„Ja, er hat dort einen wunderschöne, große Wohnung“, plappert Mel, „er war so freundlich, mir sein Gästezimmer anzubieten. Ich habe mich nämlich entschlossen, in Paris zu bleiben. In Cherry Hill wissen schon alle Bescheid.“
Obgleich ich mir schon so etwas gedacht hatte, als ich Mel zuerst in der Abflughalle sah, könnte die Überraschung kaum größer sein. „Was ist mit deinem Job an der Primary School?“
„Den gebe ich auf. Ich habe jetzt zwei Jobs: Einen als Brautmodenmodel und“, mit einer warmen Geste berührt sie Jerômes Arm, „Jerôme hat mich als
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