Im Bann der Versuchung
..."
Dougal und Margaret sahen sich einen Moment an, dann wandte sie den Blick ab.
Clarke, der seine Besichtigungstour fortsetzen wollte, drängte die kleine Gruppe weiter über das Plateau zu dem Krater, der für das Fundament ausgehoben worden war. Hier herrschte geschäftiges Treiben. Kräftige Männer schafften Gesteinsbrocken fort, andere bearbeiteten mit Hammer und Meißel riesige graue Granitblöcke, von denen einige schon in das kreisrunde Loch eingepasst worden waren. Die Besucher konnten zuschauen, wie einer dieser schweren Steine mittels Flaschenzug und Tauen hinuntergelassen wurde.
„Nach Mr. Stewarts detaillierten Berechnungen wird jeder einzelne Stein sorgfältig so behauen, dass er später passgerecht an Ort und Stelle sitzt. An der Basis werden die Wände ungefähr zwei Meter achtzig dick sein", erklärte Clarke stolz. „Dicker als am restlichen Turm, damit sie Sturm und Wellen standhalten können. Wir haben den Druck berechnet, den der stärkste Orkan auf die Steine ausüben würde. Die Grundmauer bekommt eine solche Wölbung." Mit der Hand deutete er eine Kurve an. „Dadurch wird die Wucht der Brandung auf den Turm abgeleitet."
„Die Konstruktion basiert auf der Idee des mittelalterlichen Rundturms", erläuterte Dougal. „Die Wölbung leitet den Sturm ab, genau wie ehemals Pfeile und Kanonenkugeln an den runden Türmen abgeprallt sind."
„Was haben Sie gesagt? Wie hoch soll der Turm werden?" fragte Norrie.
„Zweiunddreißig Meter bis zur Spitze", antwortete Dougal. „In einer klaren Nacht wird das Leuchtfeuer in einer Entfernung von ungefähr siebenundzwanzig Kilometern noch sichtbar sein."
„Bei Nebel und Regen können Sie aber nicht so weit leuchten", gab Norrie zu bedenken.
„Stimmt. Um den Seefahrer vor gefährlichen Untiefen in dieser Gegend zu warnen, achten wir deshalb darauf, dass das Feuer auch bei schlechtesten Wetterbedingungen noch einige Kilometer weit gesehen werden kann. Bei Nebel wird zusätzlich eine Glocke Warnzeichen geben."
„Und wann wird das Feuer leuchten?"
„Ich hoffe im nächsten Sommer - wenn das Wetter mitspielt. Schlechtwetterperioden und Stürme könnten unseren Zeitplan nämlich gewaltig über den Haufen werfen."
„Ach, junger Mann, an diesem Riff sind die Stürme gewaltig. Einem richtigen Orkan hält der Turm sowieso nicht stand", warnte Norrie.
„Die Stürme auf diesem Felsen kenne ich", erwiderte Dougal barsch. Er schaute Margaret nicht an, aber er spürte ihre Nähe wie ein Feuer.
„Die Leute von Caransay wollen nicht, dass hier ein Turm gebaut wird. Das Meer wird ihn verschlucken ... so wie die Katz die Maus", sagte Norrie und untermalte seine Behauptung mit einer entsprechenden Geste.
„Die Baroness wäre darüber bestimmt glücklich. Aber ich lasse mich von meinem Plan nicht abbringen."
„Dougal bekommt, was er haben will", warnte Clarke. „Wirklich?" Margaret sah ihn fragend an.
„Ja!" erwiderte Dougal mit einem leichten Nicken.
Eine leichte Röte lag auf Margarets Wangen, und Dougal fragte sich, ob sie von Wind und Sonne gerötet waren oder von ähnlichen Gefühlen., wie sie in ihm brannten. Ach, was bildete er sich ein? Die Frau mochte ihn nicht - und das nicht ohne Grund, wie er sich erinnerte. Er stand tief in ihrer Schuld. Doch dieses Mal wollte er sie nicht demütigen, so wie er es unwissentlich zuvor getan hatte. Vielmehr würde er um sie werben und sie so gewinnen ...
Es war wie eine Offenbarung. Mit einem Mal wusste er genau, was er zu tun hatte. Tief in seinem Herzen hatte er sie all die Jahre geliebt, obwohl er die Begegnung mit ihr auf dem Riff nur für einen Traum gehalten hatte. Nun wusste er, dass sie ein Mensch aus Fleisch und Blut war, eine Frau mit einem weichen Herzen. Er verspürte plötzlich eine wilde Entschlossenheit.
Damals hatte er ihre Gefühle verletzt, und nun bedrohte er mit dem Leuchtturm abermals alles, was ihr lieb und teuer war. Als Entschädigung für sein damaliges Benehmen schuldete er ihr zumindest einen Heiratsantrag. Bei anderen Frauen hatte er ein solches Angebot stets vermieden. Seine Freiheit und das berauschende Gefühl bei seiner Arbeit hatte er stets häuslichem Frieden vorgezogen. Doch nun wusste er es: Er wollte Margaret MacNeill heiraten. Der Wunsch, genährt in Träumen und Sehnsüchten, war so stark, als ob er in all den Jahren nur darauf gewartet hätte, erweckt zu werden.
Der Wind war ruhig, das Meer spiegelglatt, und doch hatte Dougal das Gefühl, als hätte ihn gerade
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