Im Bann der Versuchung
ein Orkan in die Knie gezwungen.
Margaret hatte sich ein wenig abseits des geschäftigen Treibens einen Platz auf dem Felsen. gesucht. Dort saß sie ganz allein und machte Eintragungen in ihr ledernes Skizzenbuch. Dougal und Alan Clarke gingen ihrer Arbeit nach; Norrie unterhielt sich mit Fergus MacNeill und ein paar anderen Männern von Caransay, die in Dougal Stewarts Crew arbeiteten. Man benötigte nämlich auf Sgeir Caran nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Leute, die sowohl das Riff und die Inseln als auch die Launen von Meer und Wetter kannten. .
Mit geschickter Hand zeichnete Margaret ein Basstölpelpärchen, während sie verfolgte, wie es emsig immer wieder ins Nest flog, das auf einem Vorsprung an der hohen Basaltsäule thronte. Es war friedlich hier oben. Das immer währende Schlagen der Brandung gegen die Felsen klang leise und beruhigend zu ihr herauf. Ständig musste sie daran denken, dass nicht weit von ihrem Sitzplatz die kleine Höhle lag, die ihnen als Unterschlupf gedient hatte. Sie zitterte am ganzen Körper, vor Schmerz und Sehnsucht begann sich ihr alles im Kopf zu drehen.
Plötzlich stand Dougal neben ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören. „Miss MacNeill? Fühlen Sie sich nicht wohl? Scheint die Sonne zu stark?"
Sie schaute auf. „Mir geht es ausgezeichnet", erklärte sie abweisend. „Will mein Großvater schon aufbrechen?"
„Noch nicht. Er unterhält sich mit seinen Freunden von der Insel. Die Männer machen gerade Mittagspause. Ich wollte Sie fragen, ob Sie auch hungrig sind. Es gibt nichts Besonderes, aber es reicht für alle. Haferkuchen, Käse und Fleischpastete hat uns der Koch von Caransay geschickt."
Sie schüttelte den Kopf. „Danke für das Angebot. Ich habe wirklich keinen Hunger."
„Na gut." Abwartend blieb er hinter ihr stehen. „Wie ich sehe, haben Sie ein paar Vögel für Ihr Skizzenbuch gefunden. Sie sind also doch nicht alle fort."
„Noch nicht", erwiderte sie spitz, schlug ihr Buch zu und steckte es zusammen mit dem Bleistift in die Tasche. Als sie aufstehen wollte, reichte Dougal ihr hilfreich die Hand.
Zögernd ließ Margaret ihn gewähren. Es tat so, gut, ihn zu berühren, aber sobald sie aufrecht stand, zog sie ihre Hand eiligst zurück. „Kommen Sie, Mr. Stewart. Ich möchte Ihnen etwas zeigen."
Über Jahrhunderte hatten Wasser und Wind eine Rinne in das Gestein gearbeitet. Vorsichtig folgte Margaret diesem feuchten Pfad den Fels hinauf. Dougal ging dicht hinter ihr. Auf der einen Seite des Hangs lag der Eingang zu der kleinen Höhle. Doch Margaret wandte sich zur Meerseite und wies schweigend nach unten, wo Scharen von Vögeln auf den unzähligen Vorsprüngen und Spalten im Fels hockten.
Dougal deutete auf einige weiße Vögel mit schwarzen Flügelspitzen. „Basstölpel?"
Margaret nickte. „Jedes Jahr bauen sie hier ihre Nester. Zu Tausenden sammeln sie sich hier, suchen Schutz vor den Frühjahrsstürmen, ziehen ihre Jungen groß. Sturmtaucher und Trottellummen brüten auch auf Sgeir Caran und manchmal ein paar Krähenscharben. Schauen Sie, dort drüben. Da sitzt eine auf ihrem Nest. Ihr grünschwarzes Gefieder glänzt in der Sonne. Zuweilen sehen wir auch die scheuen kleinen Sturmschwalben dicht über die Wellen flattern. Sie bauen ihre Nester in den Felsspalten …"
„Ich weiß. Wo man sie nicht sehen kann", sagte er leise.
Sie sah ihn kurz an und fuhr dann fort: „Seehunde sonnen sich auf den unteren Hängen von Sgeir Caran. Sehen Sie dort unten." Sie zeigte mit dem Finger auf eine Stelle am Fuß des Felsens. „Da ist eine kleine Sandbank, die sie lieben.” Dann deutete sie hinaus aufs Meer. „Wenn wir nur lange genug warten, können wir von hier aus Delfine, vielleicht auch einen Wal oder einige Riesenhaie beobachten. Delfine und Haie tauchen niemals zusammen auf sie meiden einander. Aber jede Art für sich ist eine kleine Sensation, eine Belohnung für den geduldigen Beobachter."
„Sie haben wohl viel Zeit hier oben verbracht?"
„Ja, ich bin so oft wie möglich hier." Sie schaute wieder über das Wasser „Ich komme wegen meiner Studien her, aber ich liebe auch die friedliche Stille hier."
„Das Riff ist ein Paradies für Naturforscher und ein wertvoller Lebensraum für viele Lebewesen. Das weiß ich genauso zu schätzen wie Sie, Miss MacNeill, auch wenn Sie mir das nicht glauben."
Sie sah ihn abwartend von der Seite an.
„Ich versichere Ihnen, dass wir die Brutplätze und die Vogelkolonien nicht stören werden. Wo
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